Dreifaltigkeitssonntag 2023
In der hebräischen, der ursprünglichen Sprache des Alten Testaments
wird an vielen Stellen der Name Gottes
in den vier hebräischen Buchstaben JHWH geschrieben,
was wir ausgesprochen als Jahweh kennen.
Wir hören in der Aussprache gleich zwei Buchstaben mehr,
die da aber nicht stehen.
Die Anrede Gottes im Hebräischen ist unvokalisiert,
kaum auszusprechen.
Der Respekt vor Gottes Größe und Unbegreiflichkeit drückt sich darin aus,
was wir von Gott sagen können, ist ein Stammeln.
Wir bringen Gott nicht ins Wort – Er selbst bringt sich ins Wort.
Das ist die uralte Erfahrung unserer Glaubensgeschwister,
die als Antwort auf die Frage nach seinem Namen die Antwort hören:
Ich bin da.

Es gibt eine relativ junge Schreibweise im Judentum,
die das aufgreift, und in Schriftform „Gott“ ebenfalls ohne Vokal,
ohne o schreibt, sozusagen eine vermeidende Schreibweise,
die an die Stelle des o einen Gedankenstrich oder ein Apostroph setzt.
Der Name Gottes soll unverfügbar bleiben.
Eine ähnliche Bewegung gibt es auch unter uns Christen,
das o in der Anrufung „Gott“ durch ein Kreuz oder Genderstern zu ersetzen.
Auch hier geht es um die Unverfügbarkeit Gottes,
mit unseren Worten und Kategorien nicht zu fassen, nicht einzuordnen,
nicht festzulegen.
Gott ist nicht männlich, ohne nicht zugleich auch weiblich zu sein,
Gott ist nicht Vater, ohne nicht zugleich auch Mutter zu sein,
Gott ist nicht Mutter, ohne nicht zugleich auch Sohn zu sein.
Dennoch hat der patriarchalische Kontext der biblischen Völker
bis heute ein „Vermännlichen“ Gottes bewirkt.

Der 1965 verstorbene jüdische Religionsphilosoph Martin Buber
hat einmal davon geschrieben,
dass „Gott“ das beladenste aller Menschenworte sei,
kein anderes Wort sei so besudelt und zerfetzt und missbraucht worden,
es liege am Boden, weil es nicht nur verehrt, sondern auch erniedrigt sei.
Und wörtlich schreibt er vor genau 100 Jahren:
„Wir können das Wort „Gott“ nicht reinwaschen,
und wir können es nicht ganzmachen;
aber wir können es, befleckt und zerfetzt wie es ist,
vom Boden erheben und aufrichten.“

Ich finde, das ist eine Weise, dieses Dreifaltigkeitsfest zu feiern:
In großem Respekt vor der unbegreiflichen Wirklichkeit Gottes,
die so oft im Lauf der Geschichte von Menschen missbraucht wurde,
um Kriege zu führen, Hexen zu verbrennen, Andersgläubige zu bekämpfen,
Frauen gering zu schätzen, Menschen klein zu machen.
Unser Stottern zu diesem Fest bezeugt,
dass mit Gott nichts „zu machen“ ist, denn dann wäre sie, dann wäre er
Objekt in unseren Händen.
Gott ist nicht Erfüllungsgehilfe unser Wünsche und Gewohnheiten.
Menschen erfahren Gottes Wirklichkeit durchkreuzend,
menschliche Ordnungen auf den Kopf stellend.
Bei Gott spielt keine Rolle, ob jemand Jude oder Grieche ist,
Sklave oder Freier, männlich oder weiblich.
Wo der Geist Gottes weht, ist Getöse, wie die Lesung zu Pfingsten sagt,
wo der Geist Gottes weht, ist Wirbel, da wird weggeweht,
da stehen Menschen im Sturm, werden geschüttelt.

„Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.“
Lautet ein Wort aus der jüdischen Überlieferung.
Sprache schafft Wirklichkeiten.
Das betrifft ebenso unsere Rede von Gott.
Die Rede vom dreifaltigen Gott kann uns behutsam machen
und in Erinnerung rufen, dass wir alle Hörende, nicht Lehrende sind:
Hörende von Gottesgeschichten und Menschengeschichten –
unser Hören – um mit Martin Buber zu reden –
erhebt vom Boden und richtet auf –
im begleitenden Wissen darum,
dass alles Gehörte größer ist als unser Verstehen.

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