B 14 2021 Mk 6, 1b-6
Ein Prophet gilt nichts in seiner Heimat.
Die Leute kennen Jesus. Sie haben Ihn aufwachsen sehen.
Für sie ist er durch Seinen Beruf und durch Seine Familie definiert.
Bekannt von klein auf können und wollen sie Ihn sich nur so vorstellen,
wie sie Ihn kennen.
Nichts anderes wird von Ihm erwartet.
Schuster, bleib bei deinem Leisten,
bei deinem „Kerngeschäft“ sagen wir heute.
Die Vorstellungen, die Menschen aus der Heimatstadt von Jesus haben,
selbst die Vorstellung Seiner eigenen Familie
lassen Ihn nicht ankommen, verunmöglichen Sein Wirken.

Einmal gefasste Vorstellungen können wie ein Gefängnis sein:
wir sehen Menschen darin nicht mehr, wie sie sind,
sondern im Rahmen unserer Vorstellungen, die wir uns gemacht haben.
Ihnen zu entkommen, sie aufzubrechen ist schwer.

Ich glaube, dass unsere Vorstellungen von Gott
Seine Wirksamkeit ebenso beschränken.
Die gemachten Bilder, die wir von Ihm haben, erschweren oder verhindern,
dass Er bei uns ankommt.
Rainer Maria Rilke schreibt einmal:
„Wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen,
du Dämmernder, aus der der Morgen stieg
wir holen aus den alten Farbenschalen
die gleichen Striche und die gleichen Strahlen,
mit denen sich der Heilige verschwieg.
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;
so daß schon tausend Mauern um dich stehn.
Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,
sooft dich unsre Herzen offen sehn.“

Und an einer anderen Stelle:
„Alle, welche dich suchen, versuchen dich
Und die dich finden, binden dich
An Bild und Gebärde
Ich aber will dich begreifen
Wie die Erde
Mit meinem Reifen
reift dein Reich“

Wem die Vorstellung Gottes als „Vater“
eine Aussage über geschlechtliche Identität bedeutet,
wird die Rolle von Männern in einer Religionsgemeinschaft
anders sehen als die von Frauen.
Wer Gott als einen gewaltigen Herrscher sieht,
wird ein anderes Verhältnis zur Macht haben als diejenigen,
die den ohnmächtigen Gott schauen.
Wer Gott mit dem eigenen Vergeltungsdenken,
mit dem eigenen „Wie du mir – so ich dir“ in Verbindung bringt,
kann nicht anders als an einen strafenden Gott glauben.

Jesus in Seiner Heimatstadt…
Menschen, die mit Gott und Glauben groß geworden sind,
sind demnach in Gefahr, Gott und Sein Wirken
durch ihre eigenen Vorstellungen und Erfahrungen zu begrenzen,
so dass Er – wie es von Jesus heißt – keine Machttat tun kann.

Vielleicht beschneiden wir als Kirche, als Christen die Wirksamkeit Gottes,
in dem wir vorgeben, Ihn zu kennen und zu wissen, was Sein Wille ist.
Als würde Gott nur Orgelmusik lieben, nach Weihrauch riechen
und in unsere Kirchengebetssprache verliebt sein,
als würde Er nur Männer am Altar wollen
und als wäre Sein liebster Wohnsitz
ein tresorähnlicher Schrank in einem Haus aus Stein.
Zwar können wir ohne Bilder und Vorstellungen von Gott nicht reden,
aber wenn sie zum Gefängnis werden,
wenn wir sagen: Nur so ist Gott, nur das ist Sein Wille,
beschränken wir Ihn.
Darum spricht Jesus, wenn Er von Gott oder vom Reich Gottes erzählt,
immer in Gleichnissen.
Gleichnisse sagen nie: so ist Gott, sondern:
Gott ist WIE: wie ein Sämann, wie der gute Hirte.
Das Wort WIE legt nicht fest.

Gott ist mehr als Menschen sich ausdenken können;
und das, was wir meinen, von Ihm zu kennen, selbst gemachte Erfahrungen,
können im Wege sein, Ihm in der Gegenwart zu begegnen,
Seine Wirksamkeit im Jetzt zu erfahren.

 

 

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