C 23 2022 Lk 14,25-33
Wenn einer einen Turm bauen will,
setzt er sich dann nicht zuerst hin und berechnet die Kosten,
ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen?

Bei dieser Frage bleiben ich hängen.
Haben wir uns verrechnet?
Habe ich mich verrechnet?
Wir alle haben zu bauen geglaubt, keinen Turm,
aber „lebendige Gemeinde“ nannte man das früher.
Viel wurde dafür versucht. Viel eingesetzt. Viel gedruckt. Viel initiiert.
Viel gebacken. Viel gegrillt. Viel geredet. Viele Gottesdienste gefeiert.
Für die Kirche, für die „lebendige Gemeinde“ reichte das offensichtlich nicht. Sie stirbt.
Um ein Wort zu benutzen, das derzeit mit Blick auf die Klimakatastrophe gebraucht wird: Wir stehen kurz vor dem Kipppunkt.
Wer sich unter 60 Jahre alt im Gottesdienst verläuft, ist Minderheit.
Als wir Schwester Philippa Rath vor 2 Wochen
zu einem Vortrag zur Frage der Weihe von Frauen zu Gast hatten,
waren zwar 90 interessierte teilnehmend, eine der 90 war unter 50 Jahre alt.

In den 30 Jahren, in denen ich im Dienst bin, ist es nur bergab gegangen,
ein weniger werden auf allen Ebenen.
Hab ich mich verrechnet?
Oder zumindest nicht im Blick gehabt, wie es sich anfühlt,
auf einem sinkenden Schiff zu sein,
einer Gemeinschaft anzuhören, die mehr und mehr schrumpft,
immer schwächer wird, immer zerbrechlicher
und in ihren Führungsetagen viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat?
Was macht das mit uns, wenn wir nur abgeben und verlieren:
Kirchliche Gebäude, Menschen, junge Menschen, Vielfarbigkeit –
und das Gefühl abhanden gerät, gut aufgehoben zu sein?

Ich habe 7 Jahre gesessen und „gerechnet“, die Zeit meiner Ausbildung,
und die Jahre davor, in denen der Berufswunsch klarer wurde.
Und viele andere haben ebenso „gerechnet“.
Reichen die Mittel?
Alle, die derzeit in dieser Krisenzeit real bauen, wissen, was es bedeutet,
wenn die Preise immer mehr steigen.
Manche haben Glück und können ihre Pläne stoppen;
andere sind mittendrin und kommen nicht mehr heraus –
und verschulden sich und haben Angst und wissen nicht weiter.

„Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.“
Viele kirchliche Mitarbeitende erleben einen solchen Spott:
Wo arbeitest du? Wie kannst du da arbeiten:
In einer Institution,
die immer noch Frauen und queere Menschen diskriminiert,
in einer Institution, die immer noch geistlichen und körperlichen Missbrauch systemisch begünstigt?
Die Fragen kommen von außen – und die Fragen kommen von innen.
Haben Sie Antworten darauf?
Ich nicht.

Irgendwie bauen wir weiter.
Wie sagt man: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Andere sagen: Der Letzte, die Letzte macht das Licht aus.
Sind wir die Letzten?

Die Mittel für den Bau sind aus.
Vielleicht reichen sie gerade noch für den Rückbau…
Es ist ähnlich wie beim aus Trockenheit sterbenden Wald.
Einige Bäume stehen noch, aber in einigen Jahren…
Die Politik reagiert immer noch nicht konsequent genug
auf die Herausforderungen der Klimakatastrophe;
unsere Kirche reagiert kaum auf die Herausforderungen,
die kirchliches Leben sterben lassen.

Ich kann mit diesen Gedanken nicht nach einer Wendung suchen,
die mich mit dem üblichen „Amen“ schließen lassen.
Amen schließt ab – und hier ist nichts abzuschließen.
Amen bedeutet Bestätigung – und vielleicht sehen Sie es ja ganz anders.
Amen ist unser Gebetsende –
und eigentlich fängt doch unser Beten erst an,
dass wir fragen: Gott, was willst du?
Was machen wir mit unseren Bauruinen, mit den guten Absichten,
mit den enttäuschten Hoffnungen, mit dieser kaum ausdrückbaren Trauer, was machen wir mit der Einsicht, uns verrechnet zu haben?
Was machen wir mit deinem Wort, das doch über allem steht,
größer und weiter, als wir Kirche leben und erleben,
größer und weiter als unser Rechnen und Verrechnen?

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