Pfingsten 2022
Vielleicht haben Sie den Abschlussgottesdienst des Katholikentages
am vergangenen Sonntag gesehen, direkt oder in der Mediathek.
Die Predigt war eine Dialogpredigt von Dr. Katrin Brockmüller,
Direktorin am Katholischen Bibelwerk, und Bischof Bätzing.
Die Direktorin knüpfte in einem ihrer Beiträge
an das Evangelium vom letzten Sonntag an, in dem es heißt:
„Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht.“
Sie deutete es so:
„Man könnte ebenso gut übersetzen: Ehre mich, wie ich dich ehre.
Das heißt: gib mir Ansehen, gib mir Würde, gib mir Glanz, gib mir Schönheit. Das ist das, was eine gelingende Beziehung ausmacht:
Wir lassen einander groß sein. Wir lassen einander fliegen.
Das ist Liebe: Ich gebe alles, damit du in meiner Nähe
dich selbst zeigen kannst, dein Innerstes, dein Stärkstes, dein Schwächstes und auch dein Schönstes.“

Ich finde, das sind starke Worte. Sie sprechen mich an.
Und ich denke mir: Das wäre Kirche, das wären kirchliche Dienstgeber*innen:
Ich gebe alles, damit du in meiner Nähe dich selbst zeigen kannst,
dein Innerstes, dein Stärkstes, dein Schwächstes und auch dein Schönstes. Genau so ist es nicht, noch nicht.
Aber es ist das, was wir von Gott glauben:
Er gibt Alles, sich selbst, Seinen Sohn, Seinen Geist,
damit Menschen das Schönste, das in ihnen ist und zu dem sie fähig sind,
zeigen und leben können.
Pfingsten feiern wir, wie Menschen nach außen tragen, was in ihnen ist:
Ihre Hoffnung, ihre Kraft, ihre Liebe.
Zungen lösen sich und bringen hinaus, wovon das Herz voll ist.

Da, wo Angst herrscht, wo verschlossene Türen sind,
geht es würde- und glanzlos zu,
da verbergen Menschen sich selbst und ihr Innerstes.
Das Stärkste und das Schwächste,
die Angst und die Hoffnung findet keinen Ausdruck.
Und das Leben selbst schwindet,
wie es nicht mehr in der Mitte der Jünger ist, als sie sich verbarrikadieren,
wie es auch kaum noch in der Mitte der Kirche zu sein scheint,
in der Menschen in ihren Lebens- und Liebesgeschichten
nicht wirklich auftauchen, nicht wirklich von sich erzählen können.

Wenn es stimmt, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz beim erwähnten Katholikentag gesagt hat:
„Erinnern Sie Ihre eigenen Bischöfe an das,
was beschlossen wurde auf dem Synodalen Weg.“
dann sind wir weit entfernt von einer kirchlichen Gemeinschaft,
die einander groß sein lässt.
Oder sind wir in den unteren Rängen dazu da,
die Verantwortlichen in den oberen Rängen
an den Geist Jesu zu erinnern, an Menschenrechte,
sie daran zu erinnern, dass sie alles geben,
dass Menschen sich selbst zeigen können, ihr Innerstes, ihr Stärkstes,
ihr Schwächstes und auch ihr Schönstes?

Zum Leben Jesu hat es offensichtlich gehört,
wenn Er in Auseinandersetzung ging mit den Frommen seiner Zeit,
wenn Er Hartherzigkeit aufbrechen wollte
und den Menschen über den Sabbat stellte:
Da lebten jene auf, die eingeschüchtert waren,
sich dauergemaßregelt fühlten, ausgegrenzt,
denen man ihren Glauben absprach, die wie gelähmt durchs Leben gingen,
übersehen, nicht angesehen, darüber hinweg gesehen.
Jesus ließ sie alle groß sein:
den Samariter, den kleinwüchsigen Zachäus,
die Sünderin, die Ihm die Füße salbt,
die Jünger, denen Er die Füße wäscht.

Gib mir Würde, gib mir Glanz, gib mir Schönheit.
Gott tut das und riskiert in Jesus,
dass man Ihn würdelos behandelt, Ihm mit den Kleidern die Würde raubt,
Ihn hässlich macht und entstellt.
Was Menschen einander antun an Entwürdigendem, an Hässlichem
wird nicht bleiben und nicht das Letzte sein.
Diese österliche Botschaft holt Pfingsten in den Alltag
und drängt sie zu leben.

 

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