B 23 2021 Mk 7,31-37
Wenn in den Evangelien von einem Ortswechsel geschrieben wird,
ist es nie nur ein Ortswechsel.
Etwas Neues beginnt.

Jesus verlässt das Gebiet von Tyrus und kommt in das Gebiet der Dekapolis.
Damit kommt Er in heidnisches Gebiet.
Der Ärger, den er sich damit bei Seinen Landsleuten einfangen kann,
hält Ihn nicht auf.
Er sieht sich nicht an Ortsgrenzen,
Er sieht sich nicht an Religionsgrenzen gebunden.
Er sieht sich nicht als Messias einiger Weniger,
Er sieht sich für Alle.
Niemand kann Jesus für sich haben:
Kein einzelner Mensch, keine Kirche, keine Gemeinschaft.
Seine Wirksamkeit ist grenzenlos.

Was ist das für eine Wirksamkeit?
Hier begegnet sie uns als eine, die der Zunge die Fessel nimmt,
die die Ohren öffnet und richtig reden lässt.
Bis heute gibt es bei der Taufspendung den sogenannten „Effata Ritus“:
Mund und Ohr des Getauften werden berührt
und der Bitte Ausdruck gegeben,
die christliche Botschaft möge Gehör finden und beredtes Zeugnis.
Ganz so fromm erzählt das Evangelium nicht.
Die Heilung des Taubstummen endet weder im christlichen Bekenntnis,
noch scheinen er und seine Begleiter sich an das Verbot Jesu zu halten,
jemandem von dieser Heilung zu erzählen.

Stattdessen lesen wir in knappen Sätzen:
Einer, der nichts hört und versteht,
einer, der nichts sagen, geschweige denn bezeugen kann,
kommt bei Jesus an.
Nicht die eigene Leistung, nicht das Vermögen
bringt uns in Berührung mit Ihm,
sondern das Unvermögen, das Unheile, der Defizit.
Jesus nimmt den Taubstummen beiseite:
Wesentliches ereignet sich nicht vor den Augen anderer,
sondern immer beiseite, abseits der Menge.
Hier findet das Wunder statt,
hier lässt sich der Taubstumme Ohr und Mund öffnen.

Wenn wir genau lesen, vollzieht sich die Heilung anders,
als die Menge sie sich vorstellt.
Die Menge bittet Jesus, dem Taubstummen die Hand aufzulegen;
Jesus geht an die Ohren, an die Zunge; und sagt zu ihm: öffne dich.
Fast mutet es wie Zeichensprache an,
dass dem, der für Worte unerreichbar ist,
klar wird: es geht um seine Ohren, es geht um sein Sprechen.
Er ganz persönlich ist gemeint.
Hier hat er in Jesus denjenigen, der die Finger in die Wunde legt,
hier hat er in Jesus denjenigen, bei dem er sich ganz öffnen kann.
Ob uns Menschen eine solche Offenheit immer gelingt, ist fraglich.
Zwar sagen wir mitunter:
du kannst mir alles sagen, du brauchst nichts verbergen;
aber sind wir wirklich immer so offen,
dass die oder der andere ganz sich selbst öffnen kann?
Oder stehen uns nicht
unsere eigenen Bilder und Vorstellungen vom anderen,
wie er ist oder sein sollte im Weg?
Der Evangelist Markus versucht mit dieser Wundererzählung,
uns Jesus als derart offenen, persönlichen Menschen vorzustellen,
dass sich bei Ihm die größte Verschlossenheit öffnen
und die ärgste Stummheit lösen kann.

Das Ganze geschieht im Gebiet der Dekapolis, im Heidenland:
die Wirksamkeit des Herrn
bedarf offensichtlich nicht des jüdischen, des christlichen Kontextes;
sie ist überall am Werk.

Vielleicht dürfen wir darum sagen:
Überall, wo Menschen richtig reden, also nicht falsch reden,
wo sie sich selbst ausdrücken können, wo Worte aussagekräftig sind;
überall, wo Menschen offene Ohren haben, wo Wesentliches Gehör findet,
überall, wo Unheiles zum Heil findet,
ist Christus am Werk.

Wir glauben an einen weltlichen Jesus,
der theologischer Laie ist, kein Priester, kein Dozent.

Jesus wechselt nicht nur den Ort,
das mit Ihm beginnende Neue ist,
dass der Weg des Heils außerhalb des Gewohnten und Erwarteten verläuft,
so dass gerade die eine Chance haben,
die nichts hören, geschweige denn sagen können.

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