B 10 2021 Mk 3, 20-35
Nicht schmeichelhaft. Nicht nett.
Und darum wird es vermutlich wirklich so gewesen,
vielleicht sogar noch harmlos ausgedrückt sein:
Seine Angehörigen halten Jesus für von Sinnen.
Er scheint ihnen darüber hinaus peinlich zu sein,
sie möchten Ihn mit Gewalt zurückholen: in die Obhut der Familie;
zu sehr ist Er anders als sie selbst.
Nach Heiliger oder heiler Familie
hört das sich beim Evangelisten Markus nicht an.
Wollen sie Ihn vor den Menschen schützen oder die Menschen vor Ihm? Oder möchten sie sich selbst schützen und nicht nachsagen lassen: warum habt ihr Ihn gewähren lassen?
Jedenfalls befürchten sie Schlimmes, Chaos, Unruhe.
Und ihre Furcht war nicht unberechtigt,
wir wissen ja, wie die Geschichte weiter gegangen ist…
Jesus bringt alles durcheinander.
Das fängt bei der eigenen Familie an.
Mutter und Brüder stehen draußen;
eine Kontaktaufnahme aus Distanz erfolgt, man schickt nach Jesus.
Sie gehen nicht zu Ihm hin, sie wollen Ihn zu sich kommen lassen.
Damit ist viel gesagt: der verlorene soll umkehren,
das tun, was Seine Familie von Ihm erwartet oder wie sie es sich vorstellt. Jesus tut es nicht. Er bleibt, wo Er ist. Er lässt sich nicht zurück holen. Nach einem Familienmenschen hört sich das nicht an.
Oder doch?
Das hier sind meine Mutter und meine Brüder
sagt Er zu jenen, die im Kreis um Ihn herumsitzen,
sagt Er zu jenen, die den Willen Gottes tun.
Keine abgeschlossene Gruppe.
Und so kommt es, dass bis heute Menschen aller Nationen,
die auf verschiedenen Kontinenten leben,
die eigentlich nichts miteinander zu tun haben,
sich zumindest liturgisch als Schwestern und Brüder ansprechen lassen. Sie müssten noch nicht mal Christen sein, denn den Willen Gottes tun, das trauen wir doch Menschen unabhängig von der Taufe zu.
Wenn Jesus schon so weit denkt, müssen wir es auch.
Und genau da beginnt das Durcheinander,
wenn nicht mehr das Stammbuch darüber Auskunft gibt, wer Schwester und Bruder ist;
wenn nicht mehr die Kirchenbücher darüber Auskunft geben, wer den Willen Gottes erfüllt.
Papier ist halt eben nur Papier: das eine wie das andere.
Entscheidend sind Hören und Tun.
Unsere kirchliche Praxis hat sich davon wieder entfernt. Wir glauben dem Papier.
Dem Getauften, dem in gültiger Ehe Lebenden
trauen wir automatisch die rechte Herzenshaltung zu;
im Zweifel entscheiden die Einträge in den Kirchenbüchern. Jesus hat mehr in die Gesichter geschaut, in die Herzen und davon Sein Reden und Handeln abhängig gemacht.
In unsere Familie werden wir hineingeboren; dazu tragen wir nichts bei. Diesen Automatismus gibt es nicht in der Familie, von der Jesus spricht. Um zu ihr zu gehören, braucht es unsere Zustimmung,
die nicht aus Worten besteht, sondern im Tun:
Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter. In dieser Familie entscheiden nicht andere für mich;
es gibt keine Türsteher, die mich hinein- oder aussen vor lassen;
es gibt keine Hürden oder Bedingungen,
einzig mein Tun entscheidet.
Wenn wir von angehörig sein sprechen,
dann nutzen wir einen viel weiteren Begriff als den der Herkunftsfamilie. Hören steckt als Wort im angehörig sein.
Wem ich zuhöre, wer mir zuhört, der ist mir nahe,
näher als Schwester, Bruder und Mutter.
Eine neue Gemeinschaft entsteht:
in ihr ist das Wasser der Taufe dicker als das Blut der Blutsverwandtschaft.