Karfreitag 2023
Er ist zerrissen worden.
Bis zum Schluss. Und darüber hinaus.
Die Not der Menschen ist Ihm zu Herzen gegangen,
religiöse Erstarrung hat Ihm das Herz gebrochen.

„Jesu erster Blick galt nicht der Sünde der anderen,
sondern dem Leid der anderen.“
Lautet ein Wort des 2019 verstorbenen Theologen Johann Baptist Metz.
Dennoch habe sich das Christentum schon früh aus einer leidempfindlichen
in eine sündenempfindliche Religion verwandelt.
Genau genommen hat Jesus in Seiner Religion
schon damit zu kämpfen gehabt,
wenn der Sabbat höher steht als der Mensch,
wenn die Einhaltung des Sabbat
wichtiger erschien als eine Hilfestellung, eine Heilung.
Und das ist Ihm zum Kreuz geworden – bis heute.
Wir sind weder als Kirche noch als Glaubende zu Moralaposteln berufen;
der Auftrag, den Jesus Seinen Jüngern mit gab, war:
Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben, das Evangelium zu verkünden,
also ein eindeutig am Leiden von Menschen
nicht an Sünden und Gesetzen orientierter Auftrag.

Das Leiden Jesu brauchen wir nicht mehr zu betrachten,
denn Er hat ausgelitten.
In unser Blickfeld gehört, was gegenwärtig Menschen leidend macht, zweifelnd, verzweifelnd, denn das ist Jesu Leiden heute.
Wenn uns unsere Gottesdienste – nicht manchmal wenigstens –
verstört zurücklassen, irritiert, aufgewühlt,
wenn es mehr darum geht, eigene religiöse Bedürfnisse zu sättigen,
dann gilt unser erster Blick nicht dem Leid anderer Menschen.

„Wer Gott im Sinne Jesu sagt,
nimmt die Verletzung der vorgefassten religiösen Gewissheiten
durch das Unglück der anderen in Kauf.“
Ist ein weiteres Wort des erwähnten Johann Baptist Metz.
Wir können gar nicht ruhig und beruhigt Gottesdienst feiern,
so lange es Menschen heute so dreckig geht
wie Jesus auf Seinem Weg zum Kreuz und am Kreuz;
und auch die stärkste Osterfreude ist nicht echt,
wenn sie nicht verwundet bleibt und sich verwunden lässt,
so wie wir dafür das Bild des Auferstandenen haben,
der sich an Seinen Wunden zu erkennen gibt.

Das Kreuz Jesu bleibt durchkreuzend,
so lange, wie Elend, Verzweiflung und Schmerzen da sind.

Wenn wir gleich das Kreuz erheben, es verehren, dann symbolisch:
Wir vergewissern uns, für wen wir da sind,
wen wir im Kreuz in die Mitte rücken:
das nicht nur an diesem Tag zum Himmel schreiende Leid der Welt.

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