C 19 2022 Lk 12, 35-40
Wie passt das zusammen?
Wir hören von Knechten, die wach sein sollen –
und dann kommt ihr Herr, der sich selbst zum Knecht macht
und sie der Reihe nach bedient.
Wir hören vom bereit halten,
und dann heißt es, der Menschensohn kommt zu einer Stunde,
in der Er nicht erwartet wird.

Jesus durchbricht immer wieder gängige Bilder.
Im Abendmahlsaal waschen nicht die Jünger Ihm die Füße,
sondern Er wäscht ihnen die Füße;
als vorbildliche Menschen
wählt Er nicht die Größen Seines Volkes oder Seiner Religion,
sondern einen dahergelaufener Samariter;
Er durchbricht das Tabu,
am Jakobsbrunnen nicht mit der samaritischen Frau zu reden;
und wo Gesetzesregelungen Verurteilungen fordern, spricht Er frei.

Nicht nur Sein Handeln durchbricht, schon sein Sein.
Den Sohn Gottes stellt man sich anders vor, nicht als einen von ihnen,
nicht durch Wasser und Blut gekommen.
„Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria
und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon?
Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?
Und sie nahmen Anstoß an ihm.“ überliefert das Markus Evangelium.

Vielleicht hat gerade diese menschliche Vorstellung,
dass der Sohn Gottes der Besondere, der Außergewöhnliche ist,
zu tun mit dem Wort:
Der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Vielleicht begegnet uns weitaus mehr Göttliches im Alltag,
als wir wahrnehmen.
Vielleicht sind wir schon viel mehr mit Ihm in Berührung gekommen,
als wir gemerkt haben,
weil unsere Augen, unsere Ohren immer noch auf das Besondere aus sind.
Der religiöse Kult legt es ja nahe, so zu denken:
Gott begegnet uns in bestimmten Riten, zu bestimmten Zeiten,
in bestimmten Häusern.

Wer, wenn nicht Jesus, hätte das zu durchbrechen versucht?
Wenn Er sagt, ich bin der Hungrige, der Nackte, der Entblößte,
der Gefangene, der Kranke, der Durstige, der Fremde,
ich bin der, der dir als Mensch begegnet,
hören wir von einem Alltagsgott.
„In der Menschheit arme Hülle kleidet sich des Vaters Sohn“
singen wir im Advent mit Blick auf Jesus, ahnend,
dass diese einmalige Menschwerdung bleibend wirksam ist.
Wir glauben, dass Gott und Mensch nicht mehr voneinander zu trennen sind,
und dass sich Gott im Menschen ausdrückt,
dass sich im Menschlichen Göttliches zu erkennen gibt.

Es gibt Gespräche,
in denen es uns plötzlich warm ums Herz wird,
vielleicht, wenn wir unser Inneres nach außen kehren können;
es gibt Begegnungen, die uns Raum und Zeit vergessen lassen.
Wir können das nicht machen, nicht planen;
wir warten wohl darauf, aber es kommt doch unerwartet.
Sind das nicht die menschlichen Begegnungen,
in denen Göttliches aufleuchtet,
in denen wir uns bedient und bereichert fühlen?

Wach sein, wach bleiben.
Das Kommen des Menschensohnes können wir nicht beeinflussen,
wohl aber kann uns unsere Wachsamkeit
aufmerksam machen auf Seine alltägliche Gegenwart,
auf das Göttliche, das im Menschlichen verborgen ist.

„Legt euren Gürtel nicht ab“ „Eure Hüften sollen gegürtet sein“.
Wer sich in der Antike für eine Reise oder zur Arbeit vorbereitete,
schürzte das bodenlange Obergewand
mit Hilfe eines Gürtels um die Hüften auf, damit die Füße frei waren.
„Legt euren Gürtel nicht ab“ „Eure Hüften sollen gegürtet sein“
heißt heute vielleicht:
Bleibt beweglich, ansprechbar, offen.

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