B 32 2021 Mk 12, 38-44
Auf der einen Seite stehen die Schriftgelehrten,
auf der anderen Seite steht eine Witwe.
Auf der einen Seite stehen viele Männer,
auf der anderen Seite eine Frau.
Auf der einen Seite finden wir die Oberschicht,
auf der anderen Seite jemand vom Rand der Gesellschaft.
Den religiösen Fachleuten steht eine einfache Fromme gegenüber,
den Angesehenen eine nicht Beachtete.

Überdeutlich, auf wessen Seite Jesus steht,
wem Er sich nahe und verbunden weiß.
Für Ihn zählt nicht die Menge, die jemand gibt,
sondern was der Mensch von sich selbst gibt, wenn er gibt.
Darum sind Ihm die zwei Münzen der armen Witwe unendlich viel mehr wert
als das vom Überfluss abgezwackte Geld der Reichen,
von dem diese gar nicht merken, dass sie es weggeben haben.

Ich wage einen Vergleich:
mitunter denke ich, dass in unseren Kirchen
noch nie so viele Worte gemacht wurden wie in unserer Zeit,
noch nie so viel gedruckt und beworben wurde wie heute,
ein überfüllter religiöser Büchermarkt.
Möglich, dass dies in den Augen Jesu keine Bedeutung hat,
weil kein Leben daran klebt,
weil sich darin kaum jemand ganz gibt, riskiert, aussetzt, verletzlich macht, sich und sein Leben vorbehaltlos einbringt?
Wir wissen es schon von einem Jesus Wort zum Beten:
nicht das Plappern macht es, nicht die Menge an Worten,
sondern ob wir das eine Wort „Vater“ oder „Mutter“,
mit dem wir Gott anrufen, voll Vertrauen, aus ganzem Herzen meinen,
uns mit unserer ganzen Existenz daran hängen…

Tatsächlich können wir so von Gott reden,
dass es uns im wahrsten Sinne des Wortes nichts kostet, nicht weh tut.
Dann „machen“ wir Worte, aber leben sie nicht.
Wir halten uns sogar als Person so weit wie möglich heraus,
wenn wir objektiv irgendwelche Glaubenssätze bekennen,
ohne dass wir zur Sprache brächten, was sie uns im Leben bedeuten.
Deutlicher als im Bild der zwei Münzen der armen Witwe,
die ihren ganzen Unterhalt und damit ihr Leben gibt,
kann uns nicht vor Augen geführt werden,
dass es keinen objektiven Gradmesser für Glauben gibt,
sondern dass immer ausschlaggebend ist,
was es uns bedeutet, was wir sagen, was wir geben, was wir leben,
was wir einbringen.

Wer weiß, was in der armen Witwe vor sich gegangen ist,
ob es ihr nicht peinlich war, zwei Münzen einzuwerfen.
Sie wird ja all die anderen auch wahrgenommen haben,
die Menschen mit den größeren Summen,
die wohl Situierten und Beachteten.
Und es wird damals nicht anders gewesen sein als heute:
die Zahlen zählen, hundert Euro sind mehr als 10 Cent.
Sich davon nicht beirren lassen, sondern das seine tun, erfordert Stärke.

Auch mit diesem Evangelium lernen wir, dass Vergleiche nichts bringen.
Menschen sind keine Maschinen,
sie haben ihre je eigene Geschichte, ihr je eigenes Sein,
ihre je eigenen Begabungen, ihren je eigenen Glauben.
Das „Eigene“ zählt, das selbst darin vorkommen und das selbst darin sein.
Wenn wir das Vergleichen beginnen, sehen wir nicht mehr den Menschen,
sondern nur seine Leistung, sein Produkt.
Konkurrenz beginnt, Wettbewerb, Hauen und Stechen,
bei Kain und Abel führte der vergleichende Blick zum Mord.
In Jesus begegnet uns die göttliche Sichtweise, die auf die Person schaut, ins Herz, die alles mit sieht, was einen Menschen zu dem macht, der er ist,
die jeden Menschen für sich sieht.
Darum ist in dieser Sichtweise nicht der Reiche per se schlecht
und der Arme per se gut.

Das größte Geschenk ist nicht das teuerste, sondern das,
in dem sich die oder der Schenkende selbst ausdrückt.

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