B 19 2021 1 Kön 19,4-8
Elija hat genug vom Leben.
Ihm reicht es.
Er ist mit seiner Kraft am Ende.
Müde – lebensmüde.
Eigentlich ist er nicht der Jammerer, im Gegenteil:
mit Leidenschaft hat er gekämpft für ein Leben,
wie er es den Worten Gottes entsprechend verstanden hat;
hat selbst den König zur Rede gestellt,
weil dieser über die Not der Menschen hinweg ging.
Elija hat aufzubauen versucht und war nicht zimperlich dabei,
wenn er etwa 450 Baalspriester mit dem Schwert umbringen ließ.
Nun bricht er selbst plötzlich zusammen.
Der Ort der Wüste, den er aufsucht, spricht vielleicht für sein eigenes Leben:
ausgebrannt kommt es ihm vor, fruchtlos, dürr.
Nichts ist mehr, wie es war.
Der Glanz ist weg, und nicht nur der Glanz, aller Mut, alle Hoffnung.
Und er sieht: ich bin nicht besser als alle anderen,
ich mach den gleichen Mist,
mein Leben ist genauso mit Schuld beladen wie das der anderen auch.
Er sieht sich und sein Leben in aller Begrenztheit und Brüchigkeit;
ihm schwimmen die Felle davon.

Vor gut 3 Wochen hat uns die Flutkatastrophe in Deutschland
ganz viel an Brüchigkeit und Begrenztheit gezeigt.
Unmittelbar nah.
Alles verloren, nicht nur Gegenstände und Häuser,
auch Erinnerungsstücke und Andenken, Heiligtümer also – und Menschen.
Stundenlang die Angst ums eigene Leben.
Die Notunterkünfte wurden zum biblischen Ginsterstrauch,
wenigstens ein Ort zum schlafen gehen können;
wie viele werden gedacht haben: es ist ein Alptraum,
das kann nicht wahr sein. Es reicht.

Elija schläft ein
und erwacht, weil er von etwas, von jemandem angerührt wird.
In den letzten Wochen waren und sind
ganz viele anrührende Engel unterwegs:
Menschen, die beim Aufräumen in den überschwemmten Gebieten
mit angepackt haben,
die finanzielle oder materielle Unterstützung gegeben haben und geben,
die einfach nur helfen.
Dann gab es und gibt es inmitten des entstandenen Chaos
das großartige Bild zweier Frauen, jenseits der unterschiedlichen Parteien,
der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentin:
wie die eine die Hand der anderen ergreift und sie stützt.
Halt im Zerbrochenen und im Zerbrechlichen.
Und gleichzeitig denke ich an die vielen in den pflegerischen Berufen,
die in den Corona Monaten und auch sonst
die Hände von Sterbenden halten, die Hände von Traurigen halten –
und denke:
wenn das nicht großartige Zeichen sind – welche dann?
Das ist das Brot neben dem Kopf des Elija,
in der glühend heißen Asche der Alltäglichkeit gebacken.
Da sagt niemand: Kopf hoch, da erklärt niemand;
da wird das getan, was menschlich dran ist.

Von der 1988 verstorbenen Lyrikerin Rose Ausländer gibt es ein kurzes Wort,
es lautet:
„Wir wohnen Wort an Wort
Sag mir dein liebstes Freund
meines heißt DU“.

Elija erfährt ein DU unter dem Ginsterstrauch,
so wie immer wieder Menschen ein DU erfahren,
wenn sie in ihrer Müdigkeit,
in ihrer Verzweiflung und Not gesehen werden.
Nicht die großen Worte zählen,
sondern das, was Menschen anrührt, im Innersten erreicht und bewegt.

Angesichts der vielen Engel, die unterwegs sind,
die durch ihr einfaches Tun neue Kraft schenken, Lebensmut,
sehe ich das, was uns als Christen wesentlich ist, die Nächstenliebe,
nicht verloren, sondern stark und präsent.
Die Menschlichkeit siegt.
Was am Ende bleibt, sind diese kräftigen und bestärkenden Zeichen:
so kostbar, dass man glauben kann, sie kommen direkt vom Himmel.

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