2. Ostersonntag B 2021
Diesem Evangelium liegt eine brutal nüchterne Feststellung zugrunde:
Thomas kann den anderen Jüngern nicht glauben.
Sie erscheinen ihm nicht glaubwürdig.
Von Anfang an hat man den Christen, den Jüngern,
ihren Glauben nicht unbedingt abgenommen.
Bis heute.
Fragt man nach dem Hauptgrund, wenn Menschen mit dem Glauben
und der Glaubensgemeinschaft der Kirche nichts anfangen können,
ist die Antwort:
die Unglaubwürdigkeit der Vertreterinnen und Vertreter der Kirche.
Der im Jahr 1900 verstorbene Philosoph Friedrich Nietzsche
tat den bekannten Ausspruch:
„Die Christen müssten mir erlöster aussehen.
Bessere Lieder müssten sie mir singen,
wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.“
Berechtigt darum die Frage:
Leben wir als Getaufte, leben wir als Kirche
unseren Glauben so, dass er ansteckt,
dass er als überzeugend und echt wahrgenommen wird?
Thomas ließ sich nicht überzeugen.
Wie denn auch: selbst acht Tage darauf, beim erneuten Treffen der Jünger
sind die Türen ja immer noch verschlossen, die Angst offensichtlich groß,
als hätte es den Abend acht Tage zuvor
und die Begegnung mit Jesus überhaupt nicht gegeben,
denn offensichtlich hat sie bis dahin
noch keine verändernde Wirkung gehabt.
Ein Bekenntnis: „Jesus lebt“ oder „Der Herr ist auferstanden“,
bewegt nicht, wenn sich nicht dadurch der Alltag ändert,
wenn es keine Konsequenzen hat.
Wer allerdings nun meint,
alles hinge nur von den Jüngerinnen und Jüngern ab,
übersieht, wie Thomas dann zum Glauben kommt,
nämlich durch Jesus selbst.
Verkündigende des Glaubens bleiben immer zurück,
überzeugen nie ganz, mitunter gar nicht.
Auch Heilige oder heilig gesprochene Menschen sind nicht ohne Fehler.
Was Thomas überzeugt und anrührt, ist die Begegnung mit Jesus,
sowie sie schon eine Woche zuvor die übrigen Jünger angerührt hatte.
Gott findet Wege, den Menschen zu erreichen,
so können wir das Bild verstehen,
dass Jesus bei verschlossenen Türen zu den Jüngern kommt.
Jesus zeigt Seine Hände und Seine Seite.
In beiden Begegnungen sprechen die Wunden.
Ostern wischt sie nicht weg – im Gegenteil,
sie beginnen, vom Leben zu erzählen.
Ähnliches kennen wir aus Alltagsbegegnungen:
wenn Menschen einander mitteilen, was sie zutiefst berührt, verletzt,
was sie verwundet und umgehauen hat,
bekommt ein Gespräch nicht nur Tiefe,
sondern Herzen öffnen sich.
Wir leben auf, fühlen uns selbst berührt und angesprochen.
Nur der die Wunden Tragende kann Christus sein –
ist das Bekenntnis des Thomas.
Nur wer weiß, was Schmerz ist, kann überzeugend vom Leben reden.