Dreifaltigkeitssonntag 2022
Drei Personen – ein Wesen.
So lautet die Kurzformel zum Dreifaltigkeitssonntag.
Sie ist unverständlich bis ins Letzte.
Personen stellen wir uns voneinander getrennt vor, einzeln, individuell,
aber das Bekenntnis zum dreieinigen Gott besagt,
dass die göttlichen Personen gerade nicht voneinander getrennt sind.
Wenn das Bekenntnis der Dreifaltigkeit eins ganz sicher deutlich macht,
dann die Unmöglichkeit, Gott in Formeln zu packen.
Schon Ihn in Worten zu beschreiben und auszudrücken
lässt uns hilflos dastehen.
Wir können Gott nicht ausdrücken.
Eigentlich geht uns das beim Menschen nicht anders:
auch und gerade den liebsten Menschen können wir nicht
in noch so vielen Worten und Beschreibungen erfassen,
die Wirklichkeit ist immer auch anders.
Und was fertig beschrieben ist, fraglos zu Ende gebracht,
verliert an Reiz und verstaubt wie ein gelesenes Buch im Regal.

Wen nennen wir als Christen Gott?
Was gibt den Grund, Ihn dreifaltig zu bekennen?
Erfahrungen stecken dahinter, manchmal auch Gedanken und Reflexionen.
Wir sagen:
es ist etwas Väterliches in Ihm und nicht weniger Mütterliches,
es ist etwas Ursprüngliches in Ihm, der Ursprung selbst
und Licht und Farbe,
es ist Leben in Ihm, das Leben selbst
und Erhabenheit, die sich in großer Geduld,
im langen Atem und in Weitsicht zeigt.
Es sind Barmherzigkeit und Güte in Ihm,
denn wer sonst könnte uns vergeben, dass wir sind, die wir sind?
Und Mitleiden ist in Ihm sein, Schmerz, auch das Sterben,
denn der ist Gott, der mit uns durch die Nacht geht,
der aufrichtet und liebevoller Beistand ist.
Inspiration geht von Ihm aus, belebende Frische, Zutrauen,
Unerschöpflichkeit wohnt in Ihm, grenzenlose Weite
und ganz dichte Nähe in jedem Augenblick.
Über uns, neben uns, in uns, unter uns.

Wir könnten lange weiter Umschreibungen suchen,
und mitunter sind Wunsch und Wirklichkeit so eng beieinander,
dass man den Glaubenden vorhalten kann,
sie entwerfen sich selbst, woran sie glauben:
der Wunsch ist Vater des Gedankens,
um alles Ungereimte im Leben, alles Unvollendete und Unvollkommene
ertragen und annehmen zu können,
um die harten Seiten des Lebens abzufedern.

Unverdächtig sind darum Gottesbekenntnisse, die nicht glatt sind,
die Fragen offen lassen, die sogar widersprüchlich sind.
In solchen Momenten „nennen“ wir Gott nicht,
wir referieren nicht, wir beschreiben nicht, lehren nicht,
sagen kein Glaubensbekenntnis auf,
aber wir rufen Ihn; Er wird zum Schrei.
Eigentlich ist Gott vor allem ein Ruf, ein Vokativ, ein Ausruf, eine Ansprache:
Notschrei im Leiden, Lustschrei im Glück, Frage und Anfrage.

In einem Roman heißt es:
„Gott klingt wie eine Antwort,
und das ist das Verderbliche an diesem Wort,
das so oft als Antwort gebraucht wird.
Er hätte einen Namen haben müssen, der wie eine Frage klingt.“
(C. Nooteboom)

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