Fronleichnam 2022 Lk 9, 11b-17
Die am meisten überlieferte Erzählung in den Evangelien
ist die von der wunderbaren Brotvermehrung.
Sie taucht bei allen vier Evangelisten in unterschiedlichen Variationen auf.
Abends, als der Tag zur Neige ging, ist diese Geschichte zeitlich verortet.
Die urchristlichen Gemeinden versammelten sich abends zur Eucharistie.

Lukas erzählt in seinem Evangelium zwei Geschichten,
die in Beziehung stehen zu den Eucharistiefeiern der Urgemeinden:
diese gerade gehörte und die Emmausgeschichte.
Beiden gemeinsam ist nicht nur, dass Jesus das Brot bricht.
Beiden gemeinsam ist auch die Erwähnung, dass der Tag zur Neige geht.
Wir ahnen, dass das mehr bedeutet als eine Zeitangabe.
Abend bedeutet Erschöpfung,
der Abend stellt die Frage nach dem Sinn des Tages,
stellt die Frage danach, was bleibt, wer mit ins Haus geht,
wer Brot bricht, wie groß die eigenen Vorräte sind,
was wirklich satt macht, wer mit uns geht,
wer was wem geben kann.

Beide Geschichten gehen von einer Mangelerfahrung aus:
die Jünger wissen nicht, wie die vielen Leute satt werden können,
die Emmausjünger wissen nicht, wie es ohne Jesus weiter gehen soll.
Es sind Geschichten vom zu Ende gehen,
Geschichten, die an abgelegenen Orten spielen,
Geschichten von Rat- und Hilflosigkeit.

Unsere Kirchengeschichte ist ebenso eine von Rat- und Hilflosigkeit;
wir erleben eine zu Ende gehende Epoche.
Wir sehen unsere Vorräte schwinden, nichts reicht mehr,
wir stehen an dem Punkt, wo es Abend ist,
wo es finster wird, wo die Lichter ausgehen,
wo große Müdigkeit sich ausbreitet.
Vorbei die Zeiten,
in denen Menschen sich in Gruppen zu ungefähr fünfzig lagern.

In der Situation von Ohnmacht
macht die Geschichte von der Brotvermehrung überaus deutlich:
Jesus will keine Zwei-Klassen-Gesellschaft,
auf der einen Seite die Vielen, die weg geschickt werden,
auf der anderen Seite die Jünger, die mit Ihm zurückbleiben.
Für Jesus kommt offensichtlich nur in Frage,
dass Brot und Fische für alle reichen
und nicht für einen Exklusiv Club reserviert sind.

Der Weg dahin geht nur über das Brechen und Teilen.
Wer teilt, behält nicht nur für sich, sondern gibt auch ab.
Wer teilt, hat nicht nur sich und seinen Magen und seine Bedürfnisse
und sein Heil im Blick.
Wer bricht, kann die Erfahrung machen,
dass Abbrechen und Abbrüche notwenig sind,
damit möglichst viele vom Brot abbekommen.
Die Sorge von Verwässerung, die Angst des Festhaltens
und für sich bewahren Wollens kennt dieses Evangelium nicht.
Die Vielen sind im Blick, alle sogar,
schließlich wiederholen wir in jeder Eucharistiefeier die Worte,
die über den Kelch gesprochen werden:
Mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird.

Am Ende macht dieses Brechen und Teilen nicht ärmer sondern reicher.
Es macht aus dem zur Neige gehenden Tag einen Feier Abend,
aus dem Abbrechen ein Aufbrechen.

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