C 29 2022 Lk 18,1-8
Ob Jesus dieses Gleichnis wohl mit Schmunzeln erzählt hat?
Eine Witwe, der ein Richter nur nachgibt, weil er Angst hat,
sie würde ihm irgendwann eins verpassen?
Und so soll Gott sein?
Nur damit Er Ruhe hat, gibt Er den Menschen nach?

Gleichnisse haben immer Erzählfreiraum,
nicht jedes Wort ist in Stein gemeißelt;
mitunter riskieren Gleichnis Erzählende sogar Missverständnisse.
Dieses Gleichnis jedenfalls kann man einerseits so verstehen,
dass es uns Menschen bewegen will, Gott unablässig zu bestürmen;
vielleicht drängt es aber auch dazu, über Gott selbst
und Sein Verhältnis zu uns Menschen nachzudenken.
Ist es wirklich eine Beziehung, in der Gott nur nachgibt,
damit Er Seine Ruhe hat?
Dann wäre er ein Gott, der sich uns Menschen am liebsten auf Distanz hält,
der gar nichts von uns hören und mitbekommen will.
Ist unser Verhältnis zu Gott eins mit einem riesigen Gefälle:
Ein thronender Gott, eine Majestät, ein Gewaltiger,
vor dem Menschen erzittern und erbeben, in Furcht erstarren,
bedacht darauf, Seine Geduld nicht überzustrapazieren,
Ihn nicht aus der Reserve zu locken, zu reizen, zu verärgern?
Wäre das nicht ein Gott, vor dem Menschen ihre Ruhe haben wollten,
aufatmend im Gefühl: Der König ist weit weg?

Ist nicht der Gott, bei dem Liebe im Spiel ist, Wärme, Zuneigung,
Leidenschaft, Herzlichkeit, Nähe?
Das ist doch die Botschaft, mit der wir Jesus und alle,
die sich auf Ihn berufen, unterwegs glauben,
die Botschaft von einem Gott, der Distanz zu überwinden sucht,
der besorgt ist um seine Schöpfung,
der eben keine Ruhe hat, solange der Menschen Leben unruhig ist.
Jesus wirbt regelrecht für diesen Gott,
der nicht erst gebeten werden muss,
dass Menschen zu ihrem Recht verholfen wird.

Brauchen wir dazu Gott:
Dass Hungernde satt werden, Menschen zu ihrem Recht kommen?
Ist es nicht das, was wir selbst können?
Müssen wir dazu Gott bestürmen in der Hoffnung,
damit sich für uns selbst nichts ändert, regele Er an anderer Stelle,
was an uns wäre, zu regeln?

Gleichnisse werfen immer Fragen auf, sonst verstehen wir sie falsch.
Gleichnisse sind keine Geschichten, die man hört,
und danach geht es weiter, als hätte sie niemand erzählt.
Sie wollen verändern, bewegen, aufwecken.

In unser aller Leben erweist sich, welch einem Gott wir Glauben schenken:
Einem, der seine Ruhe haben will und am liebsten alles beim alten,
einem, der nur da nachgibt, wo man ihn bestürmt und nervt;
oder einem, der nicht aufhört, unruhig zu sein,
damit niemand unrecht und damit unwürdig behandelt wird.

Ein kritischer Blick auf das eigene Beten
kann eine Frage dieses Evangeliums sein.
Dient es dem Verschaffen von Recht?
Hilft es, dass Menschen ihr Recht zugesprochen wird?
Beten erscheint hier nicht als das Kreisen um das eigene Seelenheil
oder um das ewige Leben.
Unrecht schreit auf, erhebt die Stimme.
Beten gibt dem Unrecht eine Stimme,
verstärkt den Schrei der Unterdrückten, der ungerecht Behandelten,
der Schwachen,
bringt es vor Gott ins Wort – und damit vor den Menschen nicht weniger.
Beten hat damit auch etwas Leben veränderndes:
es äußert sich im Einsatz für Recht.
Aus gefalteten Händen werden anpackende Hände.

Verschaff mir Recht – bittet die Witwe.
Recht setzt sich nicht unbedingt automatisch von selbst durch,
es bedarf der Verschaffenden von Recht;
aber es bedarf auch der Hartnäckigen, der Unablässigen,
die das Unrecht immer wieder beim Namen Nennenden.

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