Ostern 2022
Gezeichnet von den Spuren der Pandemie,
geschockt wegen der Grausamkeiten des Ukraine-Krieges,
besorgt ob der Klimakatastrophe sehen wir dem Tod ins Gesicht.
Sehen liegen gelassene Menschen auf Straßen, Massengräber;
sehen Menschen, plötzlich aus dem Leben gerissen,
sehen Angehörige, die keine Chance haben zu verstehen.
Entsetzen, Stillstand, Ausweglosigkeit…
Wo der Tod wütet, da ist kein Grab leer,
da suchen wir sie vielmehr, die Gräber, für die vielen, die zu beerdigen sind.

Wie kommen wir vom Tod weg?
Wie kommen wir von den Gräbern weg?
Wie lassen wir die Gewalt hinter uns, das Töten der Unschuldigen,
das Ermorden?
Wie finden wir zum neuen Leben, zum Aufatmen?

Als mein Vater im Sterben lag, in der Osterzeit 1999,
gab es kein Osterlied für uns.
Können wir nur singen, wenn uns der Tod nicht zu nahe kommt,
das Leiden uns nicht zu sehr selbst betrifft,
es weit genug von uns entfernt ist?
Können wir nur singen, wenn wir Glück haben,
wenn es uns gut geht, wenn die Sonne scheint?
Vermutlich.
Aber ist unser Singen dann schon Ausdruck von Ostern?
Vermutlich nicht.

Auf der Suche, wie die Ostersonne aufgehen kann in unserem Dunkel,
hören wir ein Osterevangelium,
in dem der auferstandene Christus gar nicht auftaucht.
Der, um den es geht, ist nicht da.
Und darum setzt auch bei den Frauen und bei den Aposteln kein Jubel ein, eher Ratlosigkeit, Verwunderung.
Es gibt kein Osterlachen, kein Osterfeuer, kein Oster-Halleluja.
Es gibt ganz viel Realismus.
Erzählt wird vom Nicht finden, vom Erschrecken und zu Boden blicken.

Erzählt wird, was wir alle erfahren, wenn ein Mensch stirbt,
wenn eine Hoffnung stirbt, wenn es grau in uns ist:
Es wird leer, wir möchten etwas tun und können es nicht.
Und das, was wir gewöhnlich tun, erscheint ohne Sinn.
Die Salben sind umsonst zubereitet.

Was macht diese Geschichte zur LEBENS-Geschichte?
Dass der Stein weg war, genügte offensichtlich nicht.
Dass da zwei Männer in leuchtenden Gewändern hinzutraten, auch nicht.
In den Frauen scheint sich erst etwas zu regen,
als sie die wenigen Worte hören,
als die ganze Szenerie zu sprechen beginnt.
„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“
Sagt uns nicht jedes Grab: Hier ist kein Leben mehr?
Sagt uns nicht jede Gewalt: Hier ist kein Frieden mehr?
Sagt uns nicht jeder Stillstand: Hier ist kein Weg, keine Bewegung mehr?

Ein Schlüsselwort scheint hier das Wort „erinnern“ zu sein.
„Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“
Und sie erinnern sich, wie es sie erreicht und gepackt hat,
was seine Worte waren. „Eisbrecher-Worte“,
wie sie Heribert Prantl in Anlehnung an das Gedicht Goethes „Osterspaziergang“ nennt, Worte wie:
„Selig die, die Frieden stiften; selig die, die traurig sind.“
„Auch ich verurteile dich nicht.“
Sie bleiben ja wahr, diese Worte, sie bleiben sprechend und stark,
unwiderleglich,
so dass die Frauen zu ahnen beginnen: der, der sie gesagt hat,
diese Licht Worte, diese Trost Worte, diese Versöhnungsworte,
der bleibt auch im Tod ihr Leben.
Und Er wird noch mehr zu ihrem Leben, je stärker sie sich erinnern,
und an diese Erinnerungen anknüpfen.

Indem sie sich erinnern, kehren sie vom Grab zurück.
Vielleicht können dies zunächst wirklich am ehesten die Frauen,
weil sie der Erfahrung so nahe sind,
dass Grabhöhlen wie ein mütterlicher Bauch Leben freigeben können;
weil es die Frauen und Mütter sind, die Kriege unmöglich machen,
ließe man sie an die Verhandlungstische der Männer
und hielte ihre Worte nicht für „Geschwätz“;
nicht umsonst appellierte der ukrainische Präsident an die Mütter:
„Schicken Sie Ihre Kinder nicht in den Krieg in einem fremden Land.“
Und ganz bestimmt sind es die in der Kirche
in wichtigen Ämtern fehlenden Frauen, die zu einem österlichen Aufbruch verhelfen könnten,
zu dem die Männer schon damals allein nicht in der Lage waren.

„Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“
Die Erinnerungen ins Leben geholt lassen die Ostersonne aufgehen
und an das Leben des Gekreuzigten glauben.

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