Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.
Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt?
Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde?
Ja, so ist das. Es muss doch einen Grund geben für die Krankheit.
Das kommt doch nicht von ungefähr.
Entweder, man ist selbst schuld, oder andere sind es. —-
Wie schnell werden Menschen zu Objekten von Spekulationen,
man spricht ÜBER sie, nicht mit ihnen.
Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt,
sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden.
Gott straft nicht durch Krankheiten.
Vieles, was ist, lässt sich nicht ableiten.
Wir wissen nicht, woher und warum.
Und darum kann nur helfen zu fragen: wozu?
Was kann daraus werden?
Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde;
dann machte er mit dem Speichel einen Teig,
strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm:
Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach!
Das heißt übersetzt: der Gesandte.
Der Mann ging fort und wusch sich.
Und als er zurückkam, konnte er sehen.
Der Blinde ist für Jesus kein Objekt.
Er wendet sich ihm persönlich zu.
Das, was Jesus zum Reden verhilft, Speichel,
wird mit der Erde zur Heilsalbe.
Dreck und Staub, das, was die Augen verklebt, die Sicht nimmt,
verbindet Jesus mit der Wärme seines Mundes,
und indem er den Brei auf die Augen streicht,
beginnt das sehend werden,
so dass der Blinde selbst zum Teich gehen kann,
sich wäscht und somit seinen eigenen Beitrag leistet, sehend zu werden.
Die Nachbarn und jene, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten:
Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte?
Einige sagten: Er ist es. Andere sagten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich.
Er selbst aber sagte: Ich bin es.
Kaum zu glauben.
Ist er es wirklich?
Oder sieht er ihm nur ähnlich?
Was ist mit ihm passiert?
Das sind wir ja gar nicht gewohnt.
Der ist ja ganz anders. Wollen wir das?
Wie herausfordernd für uns.
Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden?
Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig,
bestrich damit meine Augen und sagte zu mir:
Geh zum Schiloach und wasch dich!
Ich ging hin, wusch mich und konnte sehen.
Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.
Der Mann, der Jesus heißt. Mehr weiß er nicht.
Kein großes Glaubensbekenntnis.
Kein Wissen. Eine bislang flüchtige, aber bedeutsame Begegnung.
Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern.
Es war aber Sabbat an dem Tag,
als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte.
Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei.
Er antwortete ihnen:
Er legte mir einen Teig auf die Augen und ich wusch mich
und jetzt sehe ich.
Einige der Pharisäer sagten:
Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält.
Andere aber sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun?
So entstand eine Spaltung unter ihnen.
Da haben wir es doch.
Nicht was heil macht, ist von Gott, sondern das Einhalten der Ordnung,
das Halten des Sabbat.
Kontrollverlust beschäftigt die, die meinen, sie wüssten, wie Gott wirkt
und wie er nicht wirkt.
Und wieder sprechen Menschen ÜBER etwas, verhandeln,
und gehen nicht in den direkten Dialog.
Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn?
Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann sagte: Er ist ein Prophet.
Die Juden aber wollten nicht glauben,
dass er blind gewesen und sehend geworden war.
Ein Irrtum könnte die Lösung sein. Eine Täuschung.
An der Sache ist was faul.
Der führt uns an der Nase herum. Macht uns lächerlich.
Daher riefen sie die Eltern des von der Blindheit Geheilten
und fragten sie:
Ist das euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde?
Wie kommt es, dass er jetzt sieht?
Seine Eltern antworteten:
Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde.
Wie es kommt, dass er jetzt sieht, das wissen wir nicht.
Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht.
Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen!
Immerhin: die Eltern glauben an die Mündigkeit,
an die Redlichkeit ihres Sohnes.
Sie vertrauen ihm.
Und haben doch Angst vor denjenigen, die vorgeben, so sicher zu sein,
wie Gott wirkt.
Mit denen wollen sie es sich nicht verderben.
Sie sind hin und her gerissen.
Bislang glaubten sie sich gut aufgehoben bei den Pharisäern,
jetzt sitzen sie zwischen den Stühlen:
Der Treue zu ihrem Sohn und dem, was ihn sehend gemacht hat,
und die Treue zu der Lehre, in der sie groß geworden sind.
Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war,
zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre!
Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.
Soll heißen: wir wissen, wie Gott ist, was er will und wie er wirkt.
Wir verwalten dieses Wissen,
und alle, die es in Frage stellen,
die nicht von Gott her, sondern vom Heil des Menschen her denken,
sind böse.
Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht.
Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe.
Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht?
Wie hat er deine Augen geöffnet?
Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt,
aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören?
Wollt etwa auch ihr seine Jünger werden?
Der ehemals Blinde kann von sich reden, von der heilenden Begegnung.
Die anderen können es nicht. Sie reden nicht von sich.
Und wenn sie von Gott reden, dann reden sie nur so,
dass es sie selbst in ihren Ansichten bestätigt und besonders macht.
Die Heilung hat den Blinden stark gemacht, wirklich sehend, unterscheidend,
selbständig, widerständig.
Er lässt sich nicht einschüchtern, nicht einlullen.
Auch wenn er nicht weiß, wie Jesus genau gewirkt hat,
so weiß er, dass er gewirkt hat.
Darum erklärt er nicht, er könnte es auch nicht,
aber er bezeugt.
Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen;
wir aber sind Jünger des Mose.
Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat;
aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt.
Der Mensch antwortete ihnen:
Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt;
dabei hat er doch meine Augen geöffnet.
Wir wissen, dass Gott Sünder nicht erhört;
wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er.
Noch nie hat man gehört,
dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat.
Wenn dieser nicht von Gott wäre,
dann hätte er gewiss nichts ausrichten können.
Was zählt nun? Vermeintliches Wissen oder heilende Begegnung?
Selbst klar sehen können oder sich darauf verlassen, was andere sehen?
Gutes kann nur von Gott kommen –
auch wenn es ungewohnt daher kommt, anders, nicht vertraut,
außerhalb des gesetzlich vor und fest geschriebenem.
Wie kann etwas gegen Gott sein, was Menschen die Augen öffnet,
Licht sehen lässt?
Sie entgegneten ihm:
Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren?
Und sie stießen ihn hinaus.
Lieber andere wegtreiben als sich selbst ändern.
Eine Gefahr in der Kirche auch heute noch: wir wissen es,
wir haben die Macht, die Vollmacht.
Wer anderes sagt, muss gehen, entweder von selbst
oder er wird ausgeschlossen.
Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf,
sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn?
Da antwortete jener und sagte: Wer ist das, Herr,
damit ich an ihn glaube?
Jesus sagte zu ihm: Du hast ihn bereits gesehen;
er, der mit dir redet, ist es.
Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.
Zu Jesus kommt, wer das vermeintliche Wissen über Gott hinter sich lässt.
Zu Jesus kommt, wer den eigenen Augen und Ohren traut.
Zu Jesus kommt, wer ihn heilend an sich heran lässt,
auch wenn es ein ganzes System, einen religiösen Apparat in Frage stellt,
bedeutungslos macht,
weil es diesen einen Menschensohn gibt,
der den einzelnen Menschen im Blick hat.