C 12 2022 Lk 9,18-24
Eigentlich soll Kirche den Glauben schützen. Ich erlebe es derzeit anders.
Wenn die Ergebnisse
der am Montag veröffentlichten Münsteraner Missbrauchsstudie
überschrieben sind mit: „Bischöfe und Laien im Schweigekartell“,
sehe ich keinen Glaubensschutz, keinen Schutz derer,
die Jesus besonders am Herzen lagen, die Kleinen und Geringen.
Ich sehe vor allem einen Institutionsschutz.
Und wieder stellen sich Menschen und ich auch die Frage:
Fühle ich mich mit meinem Glauben in der Kirche gut aufgehoben?
Oder fegen all die Dinge, die immer mehr ans Licht kommen,
einem das Dach über den Kopf weg?

Was bedeutet es, wenn in den Bischofskirchen in den Gruften
Bischöfe begraben liegen, die Täter geschützt
und das Leid der Opfer nicht an sich herangelassen haben?
Was bedeutet es für die Kleinen und Geringen, für die Opfer,
wenn Straßen und Einrichtungen nach denjenigen benannt sind,
die auf der Seite der Täter standen?
Was bedeutet es, wenn der eigene bischöfliche Stuhl
und die kirchliche Nestwärme wichtiger sind als Leiden,
die durch Machtmissbrauch entstanden sind?
Was bedeutet es, wenn der eigene bischöfliche Stuhl
und die kirchliche Nestwärme wichtiger sind als Konsequenzen zu ziehen
aus den nun seit Jahren herausgearbeiteten Zusammenhängen,
die den Machtmissbrauch selbst begünstigt haben?
Was bedeutet es, wenn Menschen,
die sich in den Beratungen des Synodalen Weges bemühen,
ausgehend von den Missbrauchsverbrechen Reformen zu erwirken,
von Seiten des Papstes etwa die Einschätzung dazu hören,
es sei problematisch „wenn der Synodale Weg
von den intellektuellen, theologischen Eliten ausgeht
und sehr stark von äußeren Zwängen beeinflusst wird“?
(Drei Fragen dazu:
Ist es nicht so, dass Kirche selbst durch Vertuschen etwa
den Zwang hervorruft?
Wäre es im Sinne des Papstes, theologisch Ungebildete
diskutierten über die Themen des Synodalen Weges?
Glaubt Papst Franziskus, dass die breite kirchliche Basis
den Reformbemühungen kritisch bis ablehnend gegenüber steht?)

Unmittelbar nach der Veröffentlichung der Studie zum Missbrauch
im Bistum Münster wurde im Dom in Münster
der Zugang zu den Bischofsgräbern geschlossen,
Bischof Genn sprach am Freitag von schweren Fehlern
seiner Amtsvorgänger im Umgang mit sexuellem Missbrauch.
Wörtlich: „Sie ließen sich von einer Haltung leiten,
die den Schutz der Institution im Blick hatte, nicht aber die Betroffenen. Diese Bischöfe sind in der Bischofsgruft im St.-Paulus-Dom beigesetzt.
Ich werde die Toten ruhen lassen, die Wahrheit aber muss ans Licht.
Wie dies genau erfolgen
und was dafür eine gute und angemessene Form sein kann,
soll mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs abgesprochen werden.
Bis diese Überlegungen abgeschlossen sind,
bleibt die Bischofsgruft geschlossen.“
Ist das Schutz der Gräber oder Respekt vor den Betroffenen?
Jedenfalls wurde lange genug verschlossen:
Akten verschlossen! Leiden verschlossen! Münder verschlossen!

Dann berichtet eine Reportage in dieser Woche,
dass der frühere Adveniat-Geschäftsführer und Bischof Emil Stehle
Priestern, die in Deutschland mutmaßlich Missbrauch begangen hatten,
die Flucht in Länder Lateinamerikas ermöglicht haben soll.
Ich sitze – wie vermutlich viele – vor dem Fernseher und erstarre,
weiß nicht, ob ich schreien oder nicht doch zum Amtsgericht gehen soll.
Nach und nach fallen sie alle von den Sockeln,
diese von der Kirche Geehrten,
und es sind vornehmlich Reporterinnen und Reporter,
Journalistinnen und Journalisten,
die uns hinter den schweren Vorhang blicken lassen.
Die Bischöfe sind die abwartenden,
tatsächlich nur auf Druck und Zwang Reagierenden.
Ein Bericht dieser Tage trägt den Titel:
Die Missbrauchskrise wird mehr und mehr zur Bischofskrise.
Und immer klarer wird: Es reicht nicht,
ein paar Steinchen im Gebäude Kirche auszutauschen,
das Gebäude selbst ist morsch.

Ist diese Kirche krank? Blind? Böse? Unfähig?
Oder doch „nur“ Machtversessen?

Mit diesen Fragen und Gedanken höre ich die Frage Jesu im Evangelium:
Für wen halten mich die Leute? Für wen hält du mich?
Und ich merke, wie ich an einen Jesus außerhalb dieser Kirche glaube,
an einen, der Unrecht beim Namen nennt,
ohne Angst Missstände ausspricht,
auf der Seite der Verletzten, Gedemütigten und Missbrauchten ist.
Ich sehe ihn nicht vertreten durch Menschen,
die mit Stab, Mitra und Gewand daher kommen;
ich sehe ihn in den Weinenden, Klagenden, Durstigen
und um ihr Recht Ringenden.

Immer noch scheint es ein Kreuz zu sein,
Menschen vom Rand in die Mitte zu holen,
eigenes Handeln vom Leiden der Schwachen ausgehen zu lassen.
Immer noch wird Jesus gekreuzigt,
nach wie vor nicht von den Zöllnern, nicht von den Dirnen,
aber von jenen, die meinen, sie hätten Gott an ihrer Seite,
die aber in Wahrheit nur um sich selbst kreisen.
Uns eint, was wir hier feiern.
Uns verbindet, was in der Taufe grundgelegt wurde.
Uns macht Hoffnung, was wir an Verheißungen hören dürfen.

Pin It on Pinterest

Share This