6. So. d. Osterzeit 2022 Joh 14,23-29
„Damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.“
Sind die Jünger denn noch nicht zum Glauben gekommen?
Das Evangelium überrascht.
Menschen sind drei Jahre mit Jesus unterwegs –
und Er sagt ihnen, damit ihr zum Glauben kommt.

Glauben hat man nicht wie einen Besitz, wie einen Gegenstand.
Menschen sind immer zum Glauben Kommende.
Denn er ist viel zu groß für uns, viel zu gewaltig,
er übersteigt alles ins Maßlose: statt Zeit Ewigkeit, statt Trauer Freude,
statt Tod Leben.
Vielleicht sind Menschen ehrlicher, wenn sie dazu stehen,
nicht im Glauben zu sein, bestenfalls auf dem Weg zu ihm;
vielleicht sind sie ehrlicher, wenn sie ihre Zweifel benennen, ihren Unglauben.
Der Apostel Thomas tut das ganz ausdrücklich –
er bekennt seine Grenzen:
wenn ich nicht sehe, glaube ich nicht!

Damit ihr zum Glauben kommt…
Wie kommen denn die Jünger zum Glauben?
Nicht anders, als es uns zugemutet wird:
mit den Worten Jesu.
Sie hören diese – von einem Menschen gesprochenen – Worte,
die im Grunde sagen: auch wenn ihr mich nicht seht, bin ich da.
Auch wenn ihr mich nicht fühlen könnt, bin ich da.
Mehr haben die Jünger nicht, mehr haben wir nicht als Zusagen.
Liebe, Worte, Geist:
In der Liebe bleiben, am Wort festhalten, dem Geist Raum geben,
der Rest wird sich geben, wird der Heilige Geist geben,
„er wird alles lehren, an alles erinnern“…
Nahezu ernüchternd einfach.

Was hat viele Menschen zu Lebzeiten Jesu von Ihm abgehalten?
Dass Er einfach Mensch war.
Man hätte gern mehr gehabt, man hatte mehr erwartet.
Macht statt Ohnmacht, Brot aus Steinen, königliche Hoheit.
Eben das macht es uns heute noch schwer, dass Er zu alltäglich ist.
Die Kirchen meinten, das Gold könne auf Seine Besonderheit hinweisen;
wir merken, dass sich viel zu viel Gold angehäuft hat:
die Sockel, auf denen das Heilige, der Heilige gesetzt scheinen,
sind unerreichbar hoch.
Dem Alltag enthoben scheint der, der keinen Ort hatte für Sein Haupt,
eingeschlossen in die Tabernakel, in Riten und manchmal auch in Menschen, die vorgeben, sich in besonderer Weise auf Ihn zu berufen…

Damit ihr zum Glauben kommt…
Zum Glauben kommt, dass Er jetzt im Menschen neben Dir sitzt;
dass Sein Geist in Dir wohnt, um durch Dich kreativ,
schöpferisch wirksam zu werden;
dass Dein Atem, wenn Du betest, selbst Gottes Kraft ist;
dass Dein Leben unendlichen Sinn hat;
dass sich jeder Aufbruch lohnt;
dass es eine Liebe gibt, die größer ist als alles.

Wir bleiben „zum Glauben Kommende“…
unsicher, ob dieser Weg wirklich hält,
fragend, ob wir das Unbegrenzte und den Unbegrenzten nur suchen,
weil wir uns selbst als Begrenzte nicht akzeptieren,
irrend, weil so manches kleine Glück die große und oft quälende
unstillbare Sehnsucht für Augenblicke wenigstes betäubt –
wie schnell bringt die Sehnsucht uns in eine krankmachende Sucht.

Damit ihr, wenn es geschieht, zum Glauben kommt.
In allem Geschehenden steckt nicht nur Gefährdung,
sondern auch die Einladung, zum Glauben zu kommen.

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