A 16 2023 Mt 13,24-30
Unkraut und Weizen wachsen lassen –
„Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen“
wie im Märchen vom Aschenputtel erscheint sympathischer.
Klare Verhältnisse, saubere Trennungen, penible Ordnung.
Hier wächst das Gute, dort das Schlechte.
Mittendrin am besten eine Mauer, eine unüberwindbare Trennung,
damit das Schlechte dem Guten nichts anhaben kann.
Das wäre es doch:
Löwenzahn wächst nur auf für ihn reservierte Flächen,
ebenso der Giersch und all die anderen Pflanzen,
die man nicht haben will zwischen dem, was man haben will.

Wie schrieb der 1988 verstorbene Erich Fried:
„Die Faulen werden geschlachtet – die Welt wird fleißig.
Die Hässlichen werden geschlachtet – die Welt wird schön.
Die Narren werden geschlachtet – die Welt wird weise.
Die Traurigen werden geschlachtet – die Welt wird lustig.
Die Feinde werden geschlachtet – die Welt wird freundlich.
Die Bösen werden geschlachtet – die Welt wird gut.“

Nein, diese Rechnung geht nicht auf –
auch wenn das Ausmerzen von Fehlern und von Menschen
immer wieder versucht wurde:
Heilige Kriege, Hexenverbrennungen,
Zerstörungen von Tempeln und religiösen Symbolen überall auf der Welt.
Haben nicht gerade die Saubermänner und Sauberfrauen
den größten Schmutz angehäuft?
Wüten nicht gerade die fundamentalistischen Strömungen in jeder Religion
am grausamsten, weil sie genau zu wissen meinen,
wie Gott ist und was er will und zerstören in ihrem Wahn?
Im Namen der Reinheit, der angeblich unverfälschten Lehre
werden die schlimmsten Verbrechen begangen,
die meisten Menschen verletzt und gebrochen.
Die besten Absichten, die Überzeugung, Gottes Willen zu erfüllen,
auf der Seite der Wahrheit zu stehen,
vernichtet am Ende mehr als dass sie Gutes bewirkt.

Gott selbst scheint – so erzählt die Bibel – versucht gewesen zu sein,
das Böse oder die bösen Menschen auszumerzen.
Die Geschichte von der Sintflut erzählt davon –
oder sie erzählt davon, dass Menschen es für möglich hielten,
für möglich halten, Gott strebe die sauberen Lösungen an,
ähnlich wie in den genannten Zeilen von Erich Fried:
Die Bösen werden geschlachtet – die Welt wird gut.
Aber die Erzählung endet nicht, ohne dass sie davon berichtet,
Gott habe resümiert, bzw. Menschen glauben von ihrem Gott:
Nie wieder! Nie wieder soll eine Flut Leben vertilgen.

Was Jesus im Gleichnis vom Unkraut und Weizen andeutet,
ist, was die Menschen nach der Sintflut als Gotteserfahrung deuten:
Gott greift nicht ein, selbst wenn das Böse das Gute zu ersticken droht.
Aber damit setzen unsere Fragen an,
die vielleicht auch die Jüngerinnen und Jünger Jesus gestellt
und die ihn zum Erfinden dieses Gleichnisses bewogen haben:
Warum lässt Gott alles geschehen?
Warum lässt er so viel Böses und Schreckliches zu?
Und wie überhaupt kann man Gutes und Schlechtes
voneinander unterscheiden?
Kaum auszuhalten, zu beantworten überhaupt nicht.

Darum finden wir die meisten Reden von Gott, die Jesus wählt,
in Form von Gleichnissen.
Gleichnisse erklären nicht, sie machen nachdenklich,
sie laden ein, das eigene Leben in den Blick zu nehmen,
das wie ein großer Acker ist,
auf dem Gutes und Schlechtes wächst –
und je tiefer man hinschaut, wird ersichtlich,
dass die Wurzeln von Unkraut und Weizen miteinander verbunden sind,
dass man das eine nicht ausreißen kann, ohne das andere zu zerstören.

Auch wenn dieses Gleichnis viele Fragen offen lässt, nicht zufrieden stellt,
ist es doch ein weises, ein menschliches,
das uns Gelassenheit schenken kann, uns vom tödlichen „entweder – oder“
hin zu einem lebensnahen „sowohl – als auch“ führen kann.

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