C 17 2022 Lk 11,1-13
Vater.
Vater unser – beten wir.
Zu welch einem Vater beten wir? Wen meinen wir?
Der, von dem Peter Alexander sang: „Der Papa wird’s schon richten?“
Der, von dem früher mitunter zu den Kindern gesagt wurde:
Warte nur bis Vater nach Hause kommt?
Der abwesende Vater, der kaum Zeit hat?
Das sogenannte Oberhaupt der Familie, der dominierende Mann?
Der Ernährer und Erzieher?

Sechs Typen von Vätern haben Wissenschaftler*innen vor einigen Jahren
im Frankfurter Institut für Sozialforschung feststellen können:
die egalitären, die gern auch über Rollen und Kindererziehung reden
und jedes traditionelle Rollenklischee ablehnen
die fassadenhaften, denen nicht klar ist,
wie sie als Väter eigentlich sein wollen
die traditionellen, die es so machen, wie ihre eigenen Väter und Großväter,
die nur am Wochenende Zeit für Kinder und Familie haben: Fußballplatz, Fahrrad fahren oder Baumarkt
die unsicheren, die zwischen neuen und traditionellen Vatermodellen wanken und sich von der Partnerin eher bemuttern lassen
die randständigen, die sich eher am Rande der engen Mutter-Kind-Beziehung sehen
die partnerschaftlichen, die sich intensiv an der Erziehung beteiligen,
aber sich klar in der Rolle des Ernährers sehen.

Die Definition von Vaterschaft ist relativ simpel:
Vater bezeichnet einen männlichen Elternteil eines Menschen:
Entweder biologisch oder rechtlich oder sozial – oder alles zusammen.

Mit dem Vater ist es nicht so einfach:
Töchter empfinden ihn anders als Söhne.
In früheren Zeiten hatten nicht wenige Angst vor ihren Vätern.
Es gibt so viele Vatergeschichten, wie es Kinder gibt.
In der Antike endete die Macht des Vaters über den Sohn,
wenn er das Haus verließ, um selbst Vater zu werden;
es endete über die Tochter,
wenn sie aus der väterlichen Macht entlassen wurde
und in die Macht des Ehemannes übergeben wurde.

Vater unser: Zu welch einem Vater beten wir?
Ist es eine Aussage über das Geschlecht Gottes?
Gott ist eher männlich?
Natürlich ist er in Zeiten des Patriarchalismus männlich
mit all den Folgen, die wir in der Kirche heute noch spüren
und die so mühsam aufzubrechen sind.
Gott, dem Vater, wurde – gewissermassen, um es abzufedern –
die Gottesmutter fast zur Seite gestellt,
die Mutter, die Fürsprache für ihre Kinder einnehmen soll beim Vater
und ihn gnädig stimmen soll:
Eigene familiäre Verhältnisse in den Himmel gemalt.

Wir beten nicht nur Vater, wir beten Vater UNSER.
Vor Wochen erzählte mir eine mittlerweile verstorbene Person,
wie unterschiedlich sie mit ihren Geschwistern
die Rolle der eigenen Eltern erlebt haben.
Sie waren begonnen, ihre Familiengeschichte aufzuarbeiten
und entdeckten im Austausch übersehene Facetten,
erweiterten den eigenen Blickwinkel
und lernten voneinander, dass es nicht nur die eigene Wahrnehmung
sondern eben auch die der anderen gibt,
so dass sie Mutter und Vater auch in anderen Lichtern sahen.

Als sie davon erzählte, dachte ich: Wie schön und wie wichtig.
Und ich denke, die, die sich Kinder Gottes nennen,
die Gott als Vater anrufen, müssen es genauso tun:
Sich ihre Gottvater Geschichten erzählen, die Blickwinkel weiten,
die eigenen Erfahrungen bereichern,
alles zusammen legen, was da ist.
Wie sonst könnten wir von UNSEREM Gott, von UNSEREM Vater reden?

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