C 26 2022 Lk 16,19-31
Wer ist Lazarus für den reichen Mann?
Zu Lebzeiten ein Nichts.
Ausgeschlossen. Vor der Tür. Gesehen, aber nicht beachtet.
Vielleicht sogar gewohnte Normalität,
jedenfalls kein Grund zur Aufregung.
Später, nach dem Tod beider, ändert es sich.
Plötzlich ist Lazarus für den reichen Mann kein Nichts mehr,
sondern am liebsten ein Dienstbote,
auf keinen Fall ein Ebenbürtiger, kein Mensch wie er.
Er soll Wasser bringen, er soll dem Reichen die Qual lindern.
Aber nach wie vor spricht der reiche Mann nicht mit ihm,
behandelt ihn zwar nicht mehr wie Luft, aber wie ein Objekt,
wie einen Befehlsempfänger.
Von höchster Stelle aus soll ihm gesagt werden:
Kühl die Zunge des Reichen.
Warn seine fünf Brüder.
Der reiche Mann bleibt, wie er ist:
Sein Wohl steht im Vordergrund,
allein die seinesgleichen zählen.
Alle anderen sind Luft für ihn oder dazu da, ihm zu dienen.
Er scheint unveränderlich – gleichgültig, was geschieht;
und ebenso unveränderlich erscheinen seine Brüder:
Wenn ihnen Mose und die Propheten nicht reichen,
wird auch einer, der von den Toten zu ihnen kommt,
nichts ausrichten können.
Eine knallharte Geschichte. Menschen sind, wie sie sind.
Was kann sie, was kann uns verändern?
Ist das so: Wer einmal Purpur und feines Leinen trägt,
bewegt sich in anderen Welten?
Wer einmal aus dem Gröbsten raus ist, vergisst die Herkunft?
Mir fällt ein Wort von Papst Franziskus ein:
„Die Hirten müssen den Geruch der Schafe haben.“
Sie müssen sich mit denen gemein machen, für die sie zuständig sind,
das stink-normale Leben nicht vor der Tür lassen.
Bei der letzten Synodalversammlung
bildete sich, nachdem 21 Bischöfe gegen das Grundsatzpapier
„Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ gestimmt hatten, ein Sprechchor:
„Wo sind die Hirten?“ Was heißen sollte:
Wo sind die, die das Leben kennen, die nah dran sind,
die nicht nur wissen, was läuft, sondern sich davon bewegen
die das Leben nicht unbeachtet vor der Tür lassen,
die sich nicht damit begnügen, unter seinesgleichen zu bleiben
und die eigenen Feste zu feiern,
gehüllt in Gewändern, die das Besondere signalisieren?
Vergessen wir bei dieser märchenhaften Erzählung nicht,
wem Jesus sie erzählt: Den Pharisäern,
jenen, die meinten, sie würden sich mit Gott gut auskennen,
mit dem, was Er will, was Seine Gebote sind
und wie sie zu beachten sind bis in die kleinste Kleinigkeit,
die sich für besser hielten als die übrigen Menschen
und dafür sogar Gott dankten – wie später bei Lukas zu lesen ist.
Darum glaube ich, dass es in dieser Erzählung
nicht nur um Armut und Reichtum im materiellen Sinn geht;
es geht um verletzt und unverletzt sein,
um absondern und außen vor lassen,
um andere nicht sehen wollen und nur sich selbst im Blick haben.
Und es geht darum, sich selbst vor Gott sicher zu sein,
sich darin zu feiern und feiern zu lassen, unter sich bleibend,
unberührt von allem, was bestimmte Menschenbilder
für Leiden und Geschwüre hervor rufen.
Lazarus hat nichts außer seinen Namen,
den man übersetzen kann mit Gotthilf oder Gott hilft;
er hat nichts wie die vielen, die getreten, missachtet,
gedemütigt wurden und werden
von Menschen, die sich auf der rechten, auf der besseren Seite wägen,
diese Lazarus Menschen haben nichts anderes als diese Hoffnung:
Gott ist bei mir.