4. Fastensonntag C 2022 Lk 15,1-3.11-32
Mögliche Gedanken eines Menschen,
den die Bibel uns als Vater zweier Söhne vorstellt:
Die letzten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen!
Alles, was passiert ist, ist ein Wechselbad, ein auf und ab.
Ich spüre meine Grenzen.
Was ich dem einen gut tue, tue ich dem anderen schlecht.

Wer bin ich?
Ein Leben lang geschuftet, den Hof aufgebaut,
für das Wohl der Familie gesorgt.
Und nun dies,
gerade da, als ich dachte, wir wären aus dem Gröbsten raus,
ich könnte langsam kürzer treten, mich zurücklehnen…:
Zwei Söhne habe ich.
Der große: Solide, ordentlich, gründlich, fleißig, pflichtbewußt, geradlinig.
Aber auch eng, langweilig, sein Leben ist fertig, festgelegt.
Kein Rechts, kein Links –
hat er wohl Freude am Leben?
Der kleine: schon als Kind verträumt, verspielt, ein Nesthäkchen.
Etwas älter, weiß er genau was er will, hat seinen Kopf,
seine Klicke, die ihm folgt.
Seine Aufsässigkeit beim Rabbiner, alles zu hinterfragen, kaum Respekt.
Meine Sorge: Kann ich ihn halten? Wird er nicht irgendwann ausbrechen?

Es kommt wie befürchtet, als er sein Geld verlangt.
Er sagt, er kann nicht mehr bei uns leben im Dorf,
bei seinem kleinkarierten Bruder,
bei dem langweiligen Alten, es schnürt ihm die Luft ab.
Schlaflose Nächte beginnen, angefüllt mit bangen Vorahnungen:
kann er allein überleben? Ist er so erwachsen?
Und der Spott der Nachbarn: Dieser Alte,
schmeißt dem Schnösel alles in den Rachen, viel zu weich,
er setzt sich nicht durch!
Das hätte mal mein Sohn wagen sollen…
Wenigstens hat er noch den anderen, der bleibt!
Wenn die wüssten…

Der Große sagt nichts, macht einfach weiter;
tut, als wenn nichts gewesen wäre.
Aber es ist doch was! Genau so, als hätte der Tod zugeschlagen…
Ich höre Nachrichten vom Kleinen;
er lässt die Puppen tanzen, lebt drauf los.
Hat er bei mir das Leben nicht kennen gelernt?
Hab ich ihn zu eng gehalten? Versagt?
Etwas später höre ich von Hungersnot, Armut, Entwürdigung.
Schrecklich, daneben zu stehen, zu hören, wie er im Elend sitzt,
fallen gelassen wird. Niemand steht mehr zu ihm.
Es ist doch mein Sohn.
Noch will er nichts von mir wissen.
Ohnmacht und Angst rauben mir den Schlaf raubt.
Ich weiß nicht, wo ich ihn finden soll.

Der Große schweigt. Ist er wirklich so kalt?
Ich warte, aber worauf?
Dass es ihm wieder besser geht; dass er aufgibt, zurückkommt?
Was passiert, wenn er wieder kommt? – Er wird kommen.
Ich halte Ausschau. Tag für Tag. Des Nachts sowieso.
Die Zeit steht still.

Ich sehe ihn. Er kommt. Ich halte den Atem an.
Das Herz bebt, Erwartung, Unsicherheit!
Bloß kein falsches Wort, kein Vorwurf, am besten schweigen.
Die Brücke, die den Abgrund schließt, muß ich bauen,
die Nachbarn interessieren mich jetzt nicht.
Freude, Jubel, Wärme. Er ist da. Mein Gott, wie ich darauf gewartet habe…
Schuldeingeständnis ? Was redet er, Er ist da.
Er will Knecht sein? – Was mein ist, ist auch sein!
Wir feiern.

Und Angst um den Großen: Wird er verstehen?
Hat er nichts gespürt? Meine Angst, mein Hoffen, mein Warten?
Nun traut er sich nicht. Will nicht. Fragt den Knecht, schiebt ihn vor.
Ist zornig, unzufrieden; neidisch.

Wieder Ohnmacht.
Hab ich den einen wieder und dafür den anderen verloren?
Ich werde warten – nicht aufhören zu warten;
hab ich schon mal getan; werde es wieder tun: Warten.

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