B 13 2021 Mk 5, 21-43
Diese alten Geschichten: wie ermutigend.
Sie erzählen von der großen Kraft, die von Jesus ausgeht:
Eine Kraft, die das Ausbluten und Ausbrennen beendet,
eine Kraft, die Totgesagte und Totgeglaubte ins Leben holt.
Hoffnungsgeschichten, die besagen:
es gibt Heilung, es gibt Hoffnung, es gibt neues Leben.
Alte Geschichten?

Eingeschlafenes, noch nicht Erwachtes, noch nicht ins Leben Gekommenes
lässt sich schnell für tot erklären, für nicht existent.
Am Ende der Heilungsgeschichte sagt Jesus,
man solle dem zwölfjährigen Mädchen etwas zu essen geben.
Da die Art der Heilung immer mit der Krankheit korrespondiert,
könnte man fragen:
was hat im Leben dieses Mädchens nicht genügend Nahrung bekommen,
was durfte nicht wachsen, was ist verkümmert und eingegangen,
so dass die Tochter, deren Namen wir nicht wissen,
die einfach nur „das Mädchen“ genannt wird,
selbst erstarrt und leblos wird?
Bezeichnenderweise überliefert der Evangelist den Namen des Vaters,
Jairus, und sogar seinen Beruf, Synagogenvorsteher,
so dass er in der Geschichte eine wichtige Rolle spielt,
mit Sicherheit das Beste für seine Tochter will,
vielleicht aber nicht sieht, dass sie selbst in seinem Konzept
kaum eine Rolle spielt und ihm unter den Händen weg stirbt…

Wo Liebe zur Übermacht wird, kann sich kein Leben entfalten.
Alle, die Verantwortung tragen für andere,
Menschen im alltäglichen Miteinander sind in Gefahr,
wie Überväter oder Übermütter, wie Kirchenfürsten andere klein zu halten. Solange Mädchen nur Töchter sein dürfen und nicht Frau werden können, solange wir in der Kirche nicht
über die Rollen von Herden und Hirten und Schafen hinaus wachsen, begünstigen wir Verkümmerungsprozesse.
Wieviel Potential konnte und kann nicht ins Leben von Menschen kommen, wenn und weil Rollenverteilungen wie ein Gefängnis sind:
weil diese Tätigkeit oder dieser Beruf einer Frau nicht zusteht,
weil Jungen nicht weinen,
weil Schafe den Hirten nur hinterherzugehen haben.
Die Erfahrung des Evangeliums wie unsere eigene: Leben stirbt dabei. Talente kommen nicht zur Entfaltung.

Jesus holt das Mädchen ins Leben.
Sie soll aufstehen und in ihr all das,
was niedergedrückt und klein gehalten wurde.
Mit dem Aufstehen beginnt Neues.
Sie ist nicht mehr nur Tochter des Jairus.
Sie ist die von Jesus ins Leben Geholte,
die von Ihm Berührte und an die Hand Genommene.
Eine Geschichte vom gross werden,
eine Geschichte von der Gotteskindschaft.

Darin eingebaut die Geschichte der Frau,
die schon so lange an Blutungen litt.
Anders als die Geschichte des kranken Mädchens
tritt hier eine Erwachsene an Jesus heran.
Vielfach enttäuscht, viel verloren, neue Zuversicht und wieder vergeblich.
Jetzt muss es doch was werden –
wird sie bei jedem der vielen Ärzte, die sie aufgesucht hat, gedacht haben,
so wie wir Menschen mitunter Hoffnung aufeinander setzen,
Hoffnung vielleicht auch in der Kirche schöpfen und denken:
mit diesem Mann, mit dieser Frau muss es doch besser werden,
wieder aufwärts gehen.
Doch mit jeder Enttäuschung wird es schlimmer.
Die Frau hört von Jesus und glaubt, dass Er sie gar nicht sehen will,
zu sehr hat sie in diesen 12 Jahren auch an Würde verloren.
Von hinten drängt sie sich an Ihn heran.
Und sie weiß genau, was die anderen denken:
was will diese Frau, was maßt sie sich an, für wen hält die sich,
die hat hier nichts verloren.

Jesus sieht und durchschaut
und begegnet ihr – wie wir heute gern sagen – auf Augenhöhe.
Sie wird heil und schöpft neue Kraft.

Zwei Frauengeschichten – ein Jesus, der keine Berührungsangst hat.
Was braucht es noch…

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