A 4 2023 Mt 5, 1-12a
Da das Wort „selig“ nicht unbedingt oft in unserem Sprachgebrauch ist,
habe ich nachgeschaut, was es bedeutet:
„Himmlischer Wonnen teilhaftig“ lese ich, und:
„Aller Widrigkeiten des Lebens enthoben; von starkem Hochgefühl erfüllt.“
Diese Beschreibungen erwecken leicht den Eindruck,
als ginge es um einen Zustand, der nur im Jenseits zu erreichen ist.
Das allerdings ist nicht Aussageabsicht der Seligpreisungen Jesu.
Alle biblischen Erzählungen legen nahe,
dass Jesus immer die gegenwärtige Situation konkreter Menschen
vor Augen hat, und zwar der Müh-seligen.
Ihnen möchte er etwas sagen, ihnen möchte er etwas geben:
Menschen, die eben nicht aller Widrigkeiten des Lebens enthoben sind.
Die Seligpreisungen sind keine Durchhalteparolen,
sondern im wesentlichen Bestätigungen.
Sie beteuern den Angesprochenen:
Du bist richtig, Du liegst nicht falsch, Dein Gespür trügt Dich nicht:

Es ist richtig, nach Gerechtigkeit zu hungern;
es ist richtig, Frieden zu stiften;
es ist richtig, die eigene Traurigkeit wahrzunehmen,
weil es in der Welt keinen absoluten Trost gibt;
es ist richtig, die eigene Armut vor Gott zu erkennen,
denn alles kommt von Ihm.
Menschen werden in Wahrnehmungen bestätigt,
die nicht zwingend en vogue sind.
En vogue ist, für sich selbst zu sorgen.
Nach Gerechtigkeit hungern jedoch
schließt alle ein, die unter Unrecht leiden,
hier geht es um Solidarität und um Schulterschlüsse.
En vogue ist es, Trauer zu verbergen.
Wir tun uns schwer, Trauer auszuhalten, Trauernde auszuhalten.
Auch in der Kirche.
Trauer über Vergangenes, das so wichtig war, das getragen hat.
Wenn wir Trauer keinen Raum geben, nimmt sie selbst das Heft in die Hand.
En vogue ist es zumindest unter Glaubenden,
genau den Willen Gottes zu kennen;
oftmals wird er instrumentalisiert für eigene Ansichten und Engstirnigkeit.
„Arm vor Gott“ bedeutet jedoch eine Einstellung der Einfachheit, Zurückhaltung und Offenheit,
und meint eben nicht die Haltung der Menschen,
die sich am auffälligsten religiös gebärden können

Die Seligpreisungen richten sich an leidende Menschen
und an jene, die sagen: da stimmt was nicht.
Es stimmt was nicht, wenn Gewalt Frieden bringen soll;
es stimmt was nicht,
wenn Mehrheiten automatisch das Wahrheitsmonopol haben;
es stimmt was nicht, wenn die Lauten am meisten Gehör finden;
es stimmt was nicht, wenn die Weinenden sich verstecken müssen;
es stimmt was nicht, wenn Reiche anders behandelt werden als Arme,
wenn Frauen weniger Chancen haben als Männer,
wenn es Menschen erster, zweiter und dritter Klasse gibt;
es stimmt was nicht, wenn die leisen Töne überhört werden;
es stimmt was nicht, wenn Ellbogen und Muskeln das Leben bestimmen.

Wer anfängt, seiner Wahrnehmung zu trauen,
wer beginnt, Ungerechtigkeiten zu benennen,
dem prophezeit Jesus Schmähungen.
Die Seligpreisungen bedeuten auch:
Es ist nicht leicht, Wahrheiten zu benennen;
es ist nicht leicht, sich ohnmächtig zu bekennen;
es ist nicht leicht, sich nicht von Macht und Reichtum verführen zu lassen;
es ist nicht leicht,
der Sanftmut mehr Kraft zuzutrauen als den letzten Worten;
es ist nicht leicht,
im Einsatz für Recht und Gerechtigkeit benachteiligt zu werden.

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