B 22 2021 Mk 7, 1-8.14-15.21-23
Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber sein Herz ist weit weg von mir.
Das kann schnell passieren,
wenn unsere Lippen Gebete formulieren,
wir aber in Gedanken ganz woanders sind.
Das kann ganz schnell passieren,
wenn wir auf Äußerlichkeiten wert legen,
aber unser Herz ganz anders fühlt und denkt.
Wenn wir von Ritualen sprechen, dann meinen wir
eine sich einstellende Gewohnheit bei häufig wiederholten Handlungen.
Das ist bei Kindern vielleicht die Gute Nacht Geschichte,
ein sich wiederholender Ablauf in der Gestaltung des Hl. Abends,
ein wiederkehrendes Ritual am jährlichen Hochzeitstag,
bestimmte Abläufe im Gottesdienst.
Eine Zeit lang haben sie ihre Bedeutung und Berechtigung.
Aber nie sind sie für die Ewigkeit.
Denn Kinder werden erwachsen,
ein Hl. Abend kann auch mit unterschiedlicher Gestaltung schön sein,
der Hochzeitstag muss nicht im immer gleichen Zeichen bedacht werden.
Der Inhalt ist wichtiger als die Form.
So ist es auch im religiösen Alltag.
Viele kennen noch den Brauch, freitags etwa kein Fleisch zu essen.
Dieser Brauch kann zwar den Tag zu einem besonderen machen,
aber deswegen muss ich noch lange nicht
an Jesus und Sein Sterben denken;
deswegen muss ich noch lange nicht
leidende Menschen heute im Blick haben.
Ebenso der Sonntag:
das Mitfeiern eines Gottesdienstes
macht uns nicht unbedingt zu anderen Menschen,
wohl aber unser eigenes Herz.
Das Herz zählt, die Herzlichkeit.
Was nutzt Liebenden der schönste Blumenstrauss als Geschenk,
wenn die Herzen sich voneinander entfernt und entfremdet haben…
Rituale, Bräuche, Gewohnheiten gehören immer auf den Prüfstand,
damit sie nicht irgendwann sich verselbständigen und inhaltsleer werden.
Ist die Form, wie wir Gottesdienst feiern noch so,
dass sie nicht nur Lippenbekenntnis ist sondern Herzensangelegenheit?
Ist die Form, wie wir versuchen, als Christen zu leben,
etwas Äußerliches oder Innerliches?
Auf dem Synodalen Weg ringen Menschen genau mit diesen Fragen,
etwa, wenn es darum geht, die Frage der Weihe von Frauen zu Priesterinnen zu bearbeiten:
ist die bisherige Praxis nicht eher eine sich eingestellt habende Gewohnheit
einer häufig wiederholten Handlung,
die zeitgeschichtlich verständlich war, aber heute nicht mehr?
Die Forderung der kultischen Reinheit damals
ist ein „angenommenes“ Gottesgebot, das Jesus hinterfragt,
denn Er sieht es als eine menschliche Satzung an.
Dieses und andere Gebote
ließen am Ende das Volk Gottes zu einer sich abkapselnden,
ohne Kommunikation nach außen lebenden,
in sich selbst verschlossenen Sekte erstarren:
Kein gemeinsames Mahl mit den Sündern, kein Kontakt zu Aussätzigen,
der Sabbat über dem Menschen –
so die überlieferten Beispiele der gängigen Praxis zur Zeit Jesu,
die Er aufzubrechen versucht.
Das Evangelium legt nahe, Anfragen zumindest an religiöse Bräuche
als Anfragen Jesu selbst zu verstehen.
Vielleicht ist ein Gradmesser zur Beantwortung,
wie uns Bräuche der Welt gegenüber öffnen und nicht verschließen,
inwieweit sie zum Dialog und Austausch einladen
und nicht voll Vorwurf an die anderen sind.
Letztlich und wesentlich bleibt die Herzlichkeit in allem entscheidend.