C 4 2022 Lk 4, 21-30
Das Staunen kippt. Ganz schnell.
Zunächst gespannt, aufmerksam, überrascht, dann irritiert und ablehnend.
Man kann s zunächst nicht genau einordnen:
sind die Zuhörenden anfänglich stolz auf Jesus?
Stolz, dass aus ihren Reihen so ein Mensch heraustritt?
Schließlich kennen sie ja Seinen Vater, den Josef.
Und dieser Josefssohn spricht jetzt solche Worte, „Worte der Gnade“?
Oder klingt eher an, dass die Zuhörenden glauben:
was will der denn? Der soll mal in die Werkstatt Seines Vaters gehen,
mit Holz arbeiten statt uns hier einen zu erzählen.

Ist das nicht Josefs Sohn?
Die kirchliche Dogmatik wird das später mit Nein beantworten.
Er ist Gottes Sohn – sagt sie.
Und wir lernen,
dass kein Mensch durch seine Herkunft festgelegt werden darf,
festgelegt werden kann.
Anders gesagt: wer Josef kennt, kennt nicht automatisch Jesus;
wir sind alle Kinder unserer Eltern, keine Frage,
und sind doch unendlich viel mehr.
Wir nennen es Gotteskindschaft.

Wenn Menschen die Rollen und die Zuweisungen,
auf die andere sie festlegen, sprengen, wird es „spannend“, ungemütlich.
Jesus redet anders als erwartet.
In der Synagoge, da, wo die sich gläubig wägenden versammeln,
hebt Er zwei Personen hervor und rückt sie in die Nähe Gottes,
und zwar Menschen, die die Einwohner Nazareths für ungläubig hielten:
die Witwe in Sidon und der Syrer Naaman.
Diese beiden wurden von den Propheten aufgesucht
und haben ihnen geglaubt:
Glaube wohnte da, wo man ihn nicht annahm, wo man ihn sogar absprach.
In dem Moment, da Jesus so spricht,
will man ihn mundtot machen und umbringen.
Heute sagen wir: das damalige gläubige System ertrug Jesus nicht.

Denn in der Synagoge müssen sie sich anhören:
Ihr habt Gott nicht für euch gepachtet, Er ist nicht euer Eigentum.
Wer Gott nur auf seiner Seite sieht und nicht auf der Seite der anderen,
ist für Ihn und Sein Wirken nicht offen.
Von Anfang an sagt Jesus im Lukasevangelium,
dass Sein Wirken bei den Heiden eine Chance hat, bei den Verlorenen,
bei den Abgeschriebenen, bei denen, die in der Synagoge nicht auftauchen.
Ganze Gleichnisse wird Er diesen Menschen widmen:
im Gleichnis vom barmherzigen Vater,
im Gleichnis vom barmherzigen Samariter.
Und Er sagt:
bei euch hätte kein Prophet eine Chance. Ihr würdet ihn einordnen wollen,
an die Leine zu nehmen versuchen, in euer System integrieren wollen;
ihr ertragt nur jemanden, der euch bestätigt.
Denn ihr seid nicht offen für das Wort Gottes in der Gegenwart,
im Heute.
Ihr wollt es selbst in der Hand haben, das Wirken Gottes,
von euch abhängig machen.
Ein Gott nach euren Spielregeln…

Und so bringen sie Ihn zum Abhang des Berges,
auf dem ihre Stadt gebaut ist.
Sie, die Jesus hinabstürzen wollen, sind oben,
wägen sich an der Macht – und was oder wer sie in Frage stellt,
versuchen sie, in die Tiefe zu stürzen.
Der Störenfried muss weg, um selbst auf der Höhe zu bleiben.
In der Kirche hieß und heißt es immer noch: der sei ausgeschlossen.
Der gehört nicht mehr zu uns.
Der darf in unseren Reihen und Räumen nicht mehr lehren, nicht mehr reden.
Wir lassen ihn fallen.
Wir lassen uns doch nicht in Frage stellen,
nicht das strittig machen, was wir Jahrzehnte, Jahrhunderte angenommen,
gelebt, gelehrt haben.

Für manche wird aus diesem Jesus, zu dem sie sagen „weg“, ein Weg.

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