Dreifaltigkeitssonntag 2021 Mt 28, 16-20
Man müsste in den griechischen Urtext des heutigen Evangeliums schauen,
um einen nicht unwichtigen Satz zu verstehen.
Die Jünger fielen vor Jesus nieder – einige aber hatten Zweifel.
Die Einheitsübersetzung legt nahe,
als ginge es um zwei Gruppen von Jüngern:
ein Teil der Jünger fällt nieder und der andere zweifelt.
Grammatikalische und inhaltliche Beobachtungen sprechen allerdings dafür, dass es um nur eine Gruppe geht:
Es sind dieselben, die niederfallen und zweifeln.

Diese letzten Worte des Matthäusevangeliums sind sehr realistisch.
Sie sagen uns: Glauben gibt es nicht in Reinform.
Solange Menschen niederfallen, lebt in ihnen auch der Zweifel –
und umgekehrt auch:
wo Zweifel ist, hat auch der Glaube Raum.
Die Jünger bleiben hin und hergerissen:
in ihnen lebt höchster Respekt Jesus gegenüber,
sie sehen Großes in Ihm –
und gleichzeitig leben in ihnen viele Fragen,
sie wissen nicht, was sie denken sollen,
und ob das alles eine Zukunft hat, wenn sie sich weiter auf Ihn einlassen.

Ich finde darin auch etwas von uns niedergeschrieben:
das ehrfürchtige Staunen vor dem Leben Jesu,
vor Seinen Taten und Worten, vor Seinem Sterben –
und die Ungewissheit, ob es sich lohnt, auf Ihn zu bauen.
So sehr wir uns innerlich mitunter zerrissen fühlen mögen,
so kommentarlos und als sei es nichts Außergewöhnliches
notiert es der Evangelist: niederfallen und zweifeln.
So sind die Menschen – so sind die Jüngerinnen und Jünger.
Und diese zerrissenen Menschen, die nicht so recht wissen,
beauftragt Jesus.
Es werden keine Heiligen losgeschickt,
denen jede Form von Zweifel fremd wäre oder die ihn überwunden hätten;
Jesus schickt zwiespältige Menschen los.
Andere Überbringerinnen und Überbringer der Frohen Botschaft
gibt es nicht.
Und vielleicht kommt die Botschaft auch nur so bei Menschen an,
wird sie nahbar und glaubwürdig:
Ehrlicher Zweifel statt unehrlicher Glaube.
„Ein Glaube, der nie blind wurde, der die Finsternis nicht erlebte,
kann kaum denen helfen, die nicht sahen und nicht sehen.“ (Tomas Halik)

Diesen zugleich Niederfallenden und Zweifelnden
erteilt Jesus den sogenannten Taufauftrag.
Macht alle Völker zu meinen Jüngern.
Als wenn das so zu machen wäre,
schließlich hatten es die Jünger, denen Jesus am Osterabend erschien,
schon nicht in der Hand,
den nicht dabei gewesenen Thomas zu überzeugen.
Kann man Menschen zu Jüngerinnen und Jünger Jesu machen?
Man hat es versucht mit Kreuzzügen und Glaubenskriegen,
mit Gewalt und mit Macht.
Jesus selbst ist einen anderen Weg gegangen.
Wo nichts zu machen ist, ging Er weiter.
Immer waren es Einladungen – und wenn Er überzeugte,
dann war es Seine Person.

Vermutlich ist es so, dass wir alle nicht hier wären,
hätte es nicht in unserem Leben Menschen gegeben,
die mit ihrer Art zu glauben uns angerührt haben.
Auch diese Menschen
waren sicher nicht ohne Zweifel und nicht ohne Fehler,
aber sie haben uns Glauben entdecken lassen.
Und vielleicht haben sie uns um so mehr Glauben entdecken lassen,
wie diese Menschen echt und ehrlich waren,
keine Säulenheiligen und keine Machtmenschen,
sondern Menschen, in denen Zweifel und Niederfallen zusammen kamen
und zusammen waren.

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