Silvester 2022
Vielleicht kennen Sie den Sketch von Loriot,
in dem Hermann einfach nur sitzen will,
was seine Frau gar nicht verstehen kann.
Aber irgendwas machst du doch? Fragt sie ihn,
und er antwortet: Nein …
Sie fragt, ob er irgendetwas denkt,
vielleicht spazieren gehen will – und er bleibt dabei:
Ich will einfach nur sitzen.

Mir geht das nach Weihnachten so. Ich will einfach nur sitzen.
Mag sein, weil es bei uns Zuhause früher in der Weihnachtswoche
auch langsamer zuging, keine Wäsche gewaschen wurde,
mag sein, weil alljährlich die Adventswochen bis zum Hl. Abend sehr gefüllt
und anstrengend sind:
Mir ist in diesen Tagen verstärkt nach Ruhe.

Themen müssen eine Pause haben,
das ständige am Laufen halten eine Unterbrechung.
Ein ganzes Jahr will sich setzen,
dieses Jahr, das – vermutlich nicht nur – meiner Wahrnehmung nach
so sehr vom Krieg in der Ukraine und aller damit verbundenen Angst
und den massiver werdenden Folgen der Klimakatastrophe geprägt war.
Mir geht das Wort von der „Zeitenwende“ nach,
das nun als Wort des Jahres 2022 gekürt wurde;
die schrecklichen Bilder in den Nachrichten,
die Angst, wie das ganze weiter gehen und enden wird.

Mir kommen Menschen in den Sinn, die in diesem Jahr gestorben sind,
manche als Urne oder Sarg hier über dem Taufbecken gelegen;
zweimal fand am selben Tag oder am Tag danach eine Taufe statt –
wir kommen und wir gehen.
Und weil das so ist,
brauchen wir das Anhalten, das Bedenken, das Erinnern;
mitunter auch Stillstand – in unserer Zeit eher verpönt.

Das Evangelium heute erzählt wesentlich nichts anderes als vor einer Woche;
nach so vielem Eilen verweilen wir bei dem, was wir schon gehört haben…
„Maria bewahrte all die Worte der Hirten und erwog sie in ihrem Herzen.“
Der niederländische Theologe und Dichter Huub Oosterhuis übersetzt:
„Maria über-DACH-te die Worte der Hirten.“
Über-dachte: da geht es nicht nur um Denken und Überdenken,
darin steckt auch das Wort Dach.
Die Worte der Hirten bekommen ein Zuhause,
in Maria ein Dach über dem Kopf. Sie werden behütet.
Sie lässt erneut in sich wohnen, was ihr mitgeteilt wird –
nicht nur vom Engel damals, jetzt auch von irgendwelchen Dahergelaufenen,
von Hirten.
Sie hört nicht nur, sie nimmt auf.
Sie gibt dem, was sie hört und erlebt, eine Bleibe – und damit eine Zukunft.

Wenn wir so bewusst und zunächst ruhig ein Jahr verabschieden,
dann, damit sich Vieles in uns setzen kann,
vielleicht auch die Würdigung erfährt,
die im alltäglichen Auf und Ab untergeht.
Wir behüten – nicht nur traurige Ereignisse und Momente,
auch beglückende, uns bestärkende und ermutigende,
vielleicht auch ein Wundern darüber, wie sehr uns in manchen Augenblicken Kraft und Ausdauer zugewachsen ist, die wir nicht für möglich hielten.

„Maria bewahrte all die Worte der Hirten und erwog sie in ihrem Herzen.“
Wir hören das so selbstverständlich.
Ist es aber nicht.
Fremde, Dahergelaufene, vermutlich Rechtlose,
also nicht unbedingt Glaubwürdige finden bei Maria Gehör,
sie wehrt nicht ab, sie nimmt wahr.
Und was sie bewahrt, scheint ihr Kraft zu geben für den weiteren Weg.
Ermutigend.

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