Mariä Aufnahme in den Himmel 2021
„Zu denen kann ich nicht aufschauen“
sagte dieser Tage eine Frau im Rahmen einer Diskussion,
und meinte damit Menschen,
die ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden sind.
Umgekehrt heißt das doch, dass es uns anspornt, gut tut und ermutigt,
zu jemanden aufschauen zu können.
Eine Zeitlang sprach man von Idolen, von Vorbildern.
Die Formulierung vom Aufschauen gefällt mir besser.
Wer aufschaut, macht eine körperliche Bewegung,
steckt nicht den Kopf in den Sand, lässt den Kopf nicht hängen.
Wer aufschaut, wird gelenkt, gezogen, fühlt sich angesprochen.
Aufschauen ist durchaus ein biblisches Motiv.
Blickt auf zum Herrn, so wird euer Gesicht leuchten,
und ihr braucht nicht zu erröten – heißt es in Psalm 34.
Und die Heilungsgeschichten wären gar nicht denkbar,
wären nicht die Menschen gewesen, die zu Jesus aufgeschaut hätten
aus ihrer misslichen Lage.
Wer aufschaut, entwickelt Hoffnung, erhofft sich Zukunft,
geht sogar von ihr aus – gleich Kindern und Kleinkindern,
die zu Erwachsenen aufschauen und ihr Leben vor sich haben.
Heute schauen wir auch zu jemandem auf, zu einer Frau: Maria.
Das Fest ihrer Aufnahme in den Himmel will uns das Haupt erheben.
Nach oben.
Abgesehen davon, dass Himmel kein Raum über uns ist,
sondern das Über-all Gottes,
ist sie doch eine Frau, zu der man aufschauen kann.
Denn sie hat sich nicht abspeisen lassen mit den Gegebenheiten ihrer Zeit,
sie hat sogar aufbegehrt,
weil sie in sich einen Glauben trug,
wie er im Magnificat, in ihrem Lobgesang, anklingt:
Gott schaut auf die Niedrigen, Er erhöht sie.
Die Geringen dürfen voller Zuversicht aufschauen,
Hoffnung haben, dass da einer ist, der sie sieht, der ihnen Recht zuspricht:
all den Getretenen, Missachteten, unrecht Behandelten,
ja, auch und gerade den Frauen, die damals wenig Stimme hatten,
und heute bisweilen auch den Männern immer noch nicht gleichgestellt sind.
Maria gibt sich damit nicht ab.
Der Gott, dem sie glaubt, ist anders:
ein Menschen naher, ein im eigenen Fleisch und Blut wohnender,
ein verletzlicher Gott, angewiesen auf Menschen,
die Ihn groß werden lassen.
Wir schauen auf zu einer Frau, die sich hat finden lassen,
die sich nirgendwo aufgedrängt hat,
aber ganz offen war für das Wort, das an sie erging,
für den Geist, der in ihr auf fruchtbaren Boden fiel.
Mit dem Fest ihrer Aufnahme in den Himmel sagen wir:
diese Frau bleibt – und mit ihr bleibt alles, was sie stark gemacht,
mit ihr bleibt alles, worauf sie gebaut und gesetzt hat.
Denn sie ist uns nicht entrückt,
wir schauen nicht zu ihr auf, weil sie so weltenthoben drein schaut,
wie manche Künstler sie darstellen;
nicht der ihr umgehängte blaue Mantel lockt,
nicht der verklärte Blick, nicht die Rosen –
dass sie uns Glaubensschwester ist, zählt;
dass sie – wie wir – Jesus nicht in allem versteht,
sogar eine Abfuhr riskiert wie bei der Hochzeit zu Kanaa:
was willst du von mir Frau…
Wir schauen auf zu ihr, weil diese Frau,
ganz ähnlich ihrem Sohn, niemals und auf niemanden herabblicken würde,
sondern weil sie, die ja selbst zur Jüngerin Jesu wird,
von Ihm lernt, wie man Menschen ansieht,
dass sie neuen Mut fassen, dass sie aufblicken und ihr Haupt erheben
angesichts der immer nahenden und nahen Erlösung,
die damit beginnt, Gott wirklich zu glauben.