A 23 2023 Mt 18,15-20
Gerade bei biblischen Texten, die einfach klingen,
muss man genau hinschauen.
Hier geht es um den Umgang mit Sünderinnen und Sündern.
Erster Halt: Es geht also nicht um andere, es geht um uns selbst.
Denn niemand ist ohne Sünde.
Wer über Sünderinnen und Sünder spricht, spricht über sich selbst.

Drei Stufen werden uns vorgeschlagen – und unüberhörbar ist,
dass es hier um eine Art Gemeindeordnung geht.
Das allererste: Vermeide jede öffentliche Bloßstellung.
Stell niemanden an den Pranger.
Such das direkte Gespräch.
Schonen statt beschämen.
Sprich nicht über jemanden, sondern mit jemandem.
Kein Gefälle im Gespräch, kein oben und unten, kein Gericht,
sondern Ermöglichung von Versöhnung.
Wieviel wäre im menschlichen und auch im kirchlichen Umgang gewonnen,
wir würden diese Stufe nicht überspringen:
Es gäbe manchen Tratsch nicht, manchen Rufmord nicht,
manche Verletzung, manche Verhärtung nicht.
Und vielleicht ließe sich so manches auf diesem Weg klären.
Von Papst Johannes XXIII. wird das Wort überliefert:
„Alles sehen, vieles unbeanstandet lassen, nur weniges anmahnen.“

Kann sein, dass eine weitere Stufe hilft:
Jemand moderiert ein Gespräch,
nicht um Mehrheiten aufzubauen, nicht um Fronten zu verhärten,
sondern um Brücken zu bauen.
Möglich, dass ein so anberaumtes Gespräch neue Perspektiven ergibt,
Lösungen ermöglicht, weil jemand weiteres mithört,
weil jemand weiteres Gedanken einbringt.

Bei der dritten Stufe müssen wir verweilen.
Eine ganze Gemeinde wird aufgefahren.
Hielte sich Kirche an diese Regel, eine Gemeinde zu befragen
und nicht Chefetagen Entscheidungen
oder einsame Entscheidungen mit Befragungen hintenherum zu treffen, vieles sähe anders aus.
Schließlich überträgt Jesus diesem Evangelium nach mit denselben Worten,
mit denen er sich kurz zuvor an Petrus gewandt hat,
die „Binde- und Lösegewalt“ an die Gemeinde.
Sie trägt Verantwortung.

Was dann geschildert wird,
hört sich nach Uneinsichtigkeit auf der einen Seite an,
nach Rausschmiss, nach Exkommunikation auf der anderen Seite.
„Jetzt ist aber Schluss!“
„Es gab genügend Versuche.“
„Da kann man nichts mehr machen.“

Hören wir genau hin, was Matthäus Jesus sagen lässt:
„dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“
Wem gilt in den Evangelien die große Aufmerksamkeit Jesu?
Eben genau jenen, Zöllnern, Heiden, Sünderinnen und Sünder.
Unmittelbar vor dem heutigen Abschnitt lesen wir im Matthäusevangelium das Gleichnis vom verlorenen Schaf.
Ein Hirte, der 99 Schafe zurücklässt,
um dem einen einzigen verlorenen Schaf nachzugehen.
Und später lesen wir, wie Jesus den Schriftgelehrten sagt:
Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr.

„Dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner“ hieße dann:
Dann sei er für dich ein besonderer Adressat der Liebe Gottes,
dann sei er für dich ein Mensch, dem Gott selbst nachgeht.

Auch unsere besten Absichten stoßen an Grenzen –
Können christliche Gemeinden, können Menschen in der Nachfolge Jesu wirklich jemanden fallen lassen oder gar ausstoßen?
Oder leben wir eher von der Zusage und Hoffnung,
dass Gottes Erbarmen wirkt
und niemand diesem Wirken im Weg stehen darf?

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