Taufe des Herrn 2024
Den hl. Josef in der Krippendarstellung von Pater Zacharias
möchte ich nicht übergehen.
Viel zu oft wird der hl. Josef übergangen
oder steht irgendwie nur rum an der Krippe.
Wenn überhaupt gilt er als „Mann Marias“, kein Eigenleben –
und dies obwohl er im Evangelium durch einen imposanten Stammbaum,
der bis auf Abraham und David zurückgeht, geadelt wird.
Eigentlich wird er nur zu Weihnachten gebraucht,
allenfalls noch zur Heimkehr aus Ägypten, unter dem Kreuz nicht mehr.

Die meisten Krippendarstellungen sind Anbetungsszenen:
Menschen knien vor dem Neugeborenen –
eine bestimmte Frömmigkeitsform überlagert die Geburt.
Oder Fantasien finden Ausdruck.
So etwa in einem Marienaltarbild aus dem 15. Jh.
in der Schlosskirche in Leipzig-Lützschena,
wo Josef Brei kochend dargestellt wird.
Josef als Hausmann und Ernährer –
oder er macht sich handwerklich im Stall zu schaffen.
Es gibt eine brasilianische Krippendarstellung,
in der Maria erschöpft schläft und Josef das Jesuskind an seiner Brust wiegt.
Es sind Versuche,
einer eher blassen Gestalt Ausdruck und Deutung zu geben.

Dabei ist er gar nicht blass.
Während der Evangelist Lukas seine Weihnachtsgeschichte
mit Blick auf Maria erzählt, berichtet Matthäus mit Blick auf Josef und sagt: Ohne Josef wäre Jesus gar nicht groß geworden.
Schließlich war Josef es, der im Traum den Auftrag bekam,
einmal zu Maria zu stehen und dann nach Ägypten zu fliehen.

Hier in dieser Krippendarstellung wird unübersehbar,
wie Josef hinter oder zu Maria steht.
Im Grunde steht er für eine Glaubensaussage:
Josef als Ersatz- oder Nährvater erscheint bis ins Mittelalter hinein entsexualisiert als „männliche Jungfrau“ –
eine Zumutung für eine patriarchale Gesellschaft –
und verkörpert damit eine spätere Aussage Jesu:
Lasst euch auf Erden nicht Vater nennen – es gibt nur einen, den im Himmel.
Dieser eigentlich jedes Patriachart sprengende Gedanke
ist bis heute nicht genügend wahrgenommen.
Gerade der, der als Figur in Frage stellt,
dich fragt, als wessen Kind du dich verstehst,
stand und steht kleinbürgerlich als Ernährer oder Hausmann da.
Es gibt die Herkunftsfamilien – aber entscheidend sind die Glaubensfamilien.

Du bist mein geliebtes Kind –
verbinden wir als Stimme Gottes mit der Taufe Jesu und glauben deshalb und darüber hinaus, dass jeder Mensch Kind Gottes ist.
Wie anders könnte die große Politik
und der Umgang im kleinen miteinander sein,
dieser Glaube an die Gotteskindschaft prägte wirklich unser Leben.

Josef trägt den Wanderstab in der Hand
mit einer Blickrichtung, die nicht eindeutig ist.
Man könnte meinen, er schaut Maria an –
aber ebenso könnte man meinen, sein Blick geht ins Weite.
Wir werden erinnert, das Glauben kein Stillstand ist
und keinen Stillstand erträgt. Sonst geht er ein.
Nichts ist von Dauer.
Auch religiös nicht.
Wir mögen dieselben Feste feiern – aber wenn sie nur stereotyp wiederholen,
verlieren sie an Bedeutung.
Wir mögen dieselben Lieder singen –
aber mit unterschiedlichen Gedanken und Gefühlen,
mal passen sie, mal nicht – und mitunter werden sie nicht mehr passen.
Es ist ein Unterschied, ob Weihnachten zum ersten Mal
der Platz eines geliebten Menschen frei ist, weil er über das Jahr verstarb oder nicht.
Es ist ein Unterschied, ob ich Ereignisse erlebe, die mich schütteln
oder nicht.

Dieser Josef sagt mir: geh weiter.
Richte deinen Blick nicht nur auf das Naheliegende, Bekannte und Vertraute.
Bleib beweglich.
Ich sehe keine verharrende oder festhaltende Anbetungsszene,
wohl aber eine Aufbruchsszene.
Glauben lebt von der Haltung des weiter Gehens.

Der 2023 verstorbene Schriftsteller Martin Walser schreibt in seinem Gedicht

MUT

Mut gibt es gar nicht.
Sobald man überlegt,
wo man ist,
ist man schon an einem bestimmten Punkt.

Man muss nur den nächsten Schritt tun.
Mehr als den nächsten Schritt
kann man überhaupt nicht tun.

Wer behauptet, er wisse den übernächsten Schritt, lügt.
So einem ist auf jeden Fall mit Vorsicht zu begegnen.

Aber wer den nächsten Schritt nicht tut,
obwohl er sieht,
dass er ihn tun könnte, tun müsste,
der ist feig.

Der nächste Schritt ist nämlich immer fällig.
Der nächste Schritt ist nämlich nie ein großes Problem.
Man weiß ihn genau.

Eine andere Sache ist, dass er gefährlich werden kann.
Nicht sehr gefährlich.
Aber ein bisschen gefährlich kann auch der fällige nächste Schritt werden.

Aber wenn du ihn tust, wirst du dadurch,
dass du erlebst, wie du ihn dir zugetraut hast,
auch Mut gewinnen.

Während du ihn tust,
brichst du nicht zusammen,
sondern fühlst dich gestärkt.
Gerade das Erlebnis,
dass du einen Schritt tust,
den du dir nicht zugetraut hast,
gibt dir ein Gefühl von Stärke.

Es gibt nicht nur die Gefahr,
dass du zuviel riskierst,
es gibt auch die Gefahr,
dass du zu wenig riskierst.

Dem Gehenden schiebt sich der Weg unter die Füße.

Pin It on Pinterest

Share This