A 30 2023 Mt 22, 34-40
Nicht Fragen, sondern Fangfragen.
Jesus soll sich verfangen, verheddern.
Ein Gesetzeslehrer will ihn versuchen, auf die Probe stellen.
Wieder einmal.
Welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?
Eine sinnlose Frage im Grunde:
denn wenn alle Gebote von Gott kommen,
kann es dann eine Unterschiedlichkeit geben,
wichtige und weniger wichtige Gebote?
Der Hintergrund ist klar: den Pharisäern kommt es zu menschlich vor,
wie Jesus redet und handelt;
ein Vorwurf, der mitunter bis heute
in den Kirchen von Menschen zu hören ist, wenn sie sagen:
das Christentum ist doch mehr als bloße Menschlichkeit,
als reiner Humanismus.
Es muss uns doch um mehr gehen.
Und schon haben wir eine Gewichtung, ein mehr und ein weniger.
Das „ebenso wichtig“ des ersten und des zweiten Gebotes,
das „ebenso wichtig“ des Gebotes der Gottesliebe
und des Gebotes der Nächstenliebe
verbietet eine Wertung oder Gewichtung.
Liebe macht keinen Unterschied.
Jesus scheint zu denken:
wer den Nächsten liebt, der ist nicht entfernt von Gott,
der liebt Gott ebenso, vielleicht ohne es zu wissen.
Und umgekehrt:
wer da meint, Gott zu lieben, kommt nicht am Menschen vorbei,
die Liebe zum Menschen wird sozusagen zum Lackmustest,
zum Prüfstein, wie weit es denn her ist mit seiner Liebe zu Gott.
Seitdem in Jesus Gott und Mensch zusammen gekommen sind,
untrennbar vereint,
sind auch Gottes- und Menschenliebe nicht voneinander zu trennen.
Das Gebot der Liebe als Antwort: das werden die Pharisäer geahnt haben,
aber auch so weitreichend?
Denn wenn Jesus vom Nächsten spricht,
dann meint Er nicht nur die eigene Familie, die eigene Sippe,
das eigene Volk.
Jesus zieht um Seine Wirksamkeit keinen Radius,
sie gilt jeder und jedem.
Wer jetzt anklopft, wer jetzt vor mir steht, ist die oder der Nächste.
Liebe macht keinen Unterschied; aber den Unterschied macht, wer liebt –
das ist die Aussage im Gleichnis vom barmherzigen Samariter:
nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion entscheidet,
nicht, dass jemand Priester oder Levit ist,
sondern die liebevolle Aufmerksamkeit,
egal, ob sie von einem Samariter oder einem Ungläubigen kommt.
Wenn Kirche, wenn Glaubende heute sich dem Vorwurf stellen müssen,
sie seien nicht nah genug am Menschen,
dann sind sie mindestens in dem Maße, wie sie vom Menschen entfernt sind,
auch von Gott entfernt.
Die Pharisäer und alle, die ähnlich ticken wie sie, merken:
das, was Jesus unter Religion versteht, was Er glaubt,
lässt sich nur mit dem Herzen, mit der Liebe verstehen,
nicht mit dem Gesetz.