Erscheinung des Herrn 2024 Mt 2, 1-12
Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem.
Ganz Jerusalem erschrickt.
Der 1981 verstorbene Theologe Fridolin Stier übersetzt diese Stelle:
Alles geriet durcheinander. Chaos. Nichts ist wie es war.
Das, worauf Menschen bauen und sich berufen, was ihnen Sicherheit gibt,
scheint in Frage gestellt.
Pater Zacharias aus der Abtei Münsterschwarzach lässt in seiner Krippe,
die uns in dieser Weihnacht begleitet, drei Kronen ablegen.
All das, worauf wir Menschen uns stützen, womit wir uns schmücken, zieren,
wodurch wir uns definieren, trägt nicht:
Weder die Kopfbedeckungen aus Metall, die Königskronen,
noch die Kopfbedeckungen aus Stoff und Pappe, die Mitren,
nichts, womit Menschen sich selbst größer machen wollen und bedeutsam,
weder Stand noch Statussymbole.
Die abgelegten Kronen sagen mir: verschaff dir einen freien Kopf,
stell dich deiner nackten Wirklichkeit.
Wer wirklich Christus begegnet, braucht keinen äußeren Popanz
sondern wird frei davon.
Ganz Jerusalem erschrickt.
Matthäus hat keine Umfrage unter der Einwohnerschaft gemacht,
kein Stimmungsbild eingeholt –
ganz Jerusalem ist eine theologische Aussage.
Als Jesus in Jerusalem einzieht, heißt es ebenfalls: die ganze Stadt erbebt.
Ganz Jerusalem bedeutet: die religiöse Instanz erschrickt.
Sie hat überhaupt kein Interesse an diesem Jesus.
Die von Herodes rasch herbei gerufenen Schriftgelehrten und Pharisäer
wissen zwar, wo der Christus geboren werden soll,
kommen aber nicht im entferntesten auf die Idee, selbst loszugehen.
Dafür sitzen alle viel zu gern fest im Sattel, verdienen an der Gotteslehre,
aber leben es nicht, was sie lehren.
Sie ziehen nicht los – und als Jesus selbst loszieht, in ihre Stadt,
sozusagen an ihre Fundamente geht,
glauben sie zu wissen, wie sie ihn loswerden können.
Denn sie möchten ihre Kronen, ihre Statussymbole nicht ablegen.
Sie – und alle, für die sie stehen – möchten sich nicht von Fremden,
aus dem Osten daherkommenden Magiern darüber belehren lassen,
wo sie heute – und nicht irgendwann – Christus finden können.
Sie kennen sich aus in den Schriften, sie wissen, was geschrieben steht,
doch es hat in der Wirklichkeit keine Bedeutung für sie.
Es ist Kopfwissen, es macht sie zu Gelehrten,
aber es fährt ihnen nicht in die Beine, es bringt sie nicht in Bewegung,
es lässt sie weit weg vom wahren Leben sein.
Bemerkenswert ist, dass die Sterndeuter nicht den Auftrag bekommen,
mit Herodes und den Schriftgelehrten und Pharisäern
erneut Kontakt zu suchen, sich mit ihnen auf Diskussionen einzulassen,
sie zum Sinneswandel zu bewegen.
Sie bekommen den Auftrag, sie zu ignorieren,
sie links liegen zu lassen, sie gar nicht weiter zu beachten,
sich nicht länger mit ihnen aufzuhalten.
Wer wirklich Christus begegnet, ist nicht nur von äußerem Popanz frei,
sondern auch von Menschen frei, die vorgeben, religiös zu sein,
aber in Wirklichkeit Menschenleben verachten, gering schätzen,
es sogar ausschalten, sollte es sie zu entmachten drohen.
Der Evangelist Matthäus fasst das ganze Drama der Lebensgeschichte Jesu schon in dieser Erzählung zusammen:
Fremde finden zu Christus, Menschen mit Schriftwissen und Tradition nicht.
Sie finden nicht nur nicht zu Christus,
sie bekämpfen ihn, weil sie ihn als Bedrohung wahrnehmen.
Sie sehen ihr eigenes Leben und ihre Stellung in Frage gestellt.
Wenn ich auf die Entwicklung unserer Kirche und unseres Glaubens schaue,
denke ich mir: da war und ist nicht alles Gold, was glänzt.
Wir sind in einer Zeit des Krone Ablegens.
Schwindender Einfluss, schwindende Bedeutsamkeit, schwindende Macht
auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite die Chance,
Christus wahrhaftig näher zu kommen
und der inneren Stimme mehr Gehör verleihen als den lauten äußeren,
den drohenden und scheinbar besser wissenden.
Die religiösen Instanzen werden nicht aufhören zu erschrecken.