5. O-So. B 2024 Joh 15,1-8
„Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“
Dieses Kindergebet kennen wir vermutlich alle.
Es bringt zum Ausdruck,
wie wir Frömmigkeit am allermeisten verstehen,
nämlich nützlich, brauchbar, Ergebnis orientiert.
Ich möchte etwas erreichen – für mich.
Es geht um den Eigenbedarf.
Meister Eckhart, ein deutscher Theologe und Philosoph aus dem 13. Jh.
hat – wie ich finde – treffend formuliert:
“Manche Menschen wollen Gott mit den Augen ansehen,
mit denen sie eine Kuh ansehen.
Sie wollen Gott lieben, wie sie eine Kuh lieben.
Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So halten’s alle jene Leute, die Gott um des äußeren Reichtums
oder des inneren Trostes willen lieben.
Die aber lieben Gott nicht recht, sondern sie lieben ihren Eigennutz.“

Frömmigkeit kann etwas um sich selbst kreisendes haben:
Der Blick auf das eigene Seelenheil, das Bedürfnis frommer Gefühle…
mitunter Ansehen verschaffend, wenn Titel und Kleidung eine Rolle spielen.
Im Lesen der Evangelien fällt immer wieder auf,
dass Jesus sich gegen das zur Schau tragen von Frömmigkeit wehrt,
dass er sich schwer tut mit den Menschen,
die sich für fromm hielten oder die man für fromm hielt –
und eigentlich um sich selbst kreisten.
Jesus hat das Gebet mit dem himmlischen Vater gesucht – keine Frage,
aber deutlich hob er sich ab von den Frommen seiner Zeit,
die ihn aufgrund seines Verhaltens beschimpften,
Freund von Zöllnern und Huren nannten, Fresser und Säufer.

Im gerade gehörten Evangelium – aber auch generell –
taucht ein anderes Wort auf: Nicht fromm, aber fruchtig.
„An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ im Matthäusevangelium –
oder hier im Bild vom Weinstock und seinen Rebzweigen.
Gleich sechsmal ist in diesen Versen von Frucht die Rede.

Ein Baum, ein Rebstock trägt keine Früchte für sich selbst.
Sie hängen nicht für den Eigenbedarf.
Fruchtbarkeit hat darum einen anderen Blickwinkel,
eine andere Motivation als Frömmigkeit.
Von Früchten haben andere etwas.
Eine Frucht des Lebens Jesu ist,
dass sich auch heute noch Menschen nach seinen Worten fragen,
sie hören und lesen und ihnen in ihrem Leben Bedeutung geben.
Frucht bringen ist etwas Organisches.
Der Baum, der Rebstock ist angewiesen auf das,
was er selbst nicht hervorbringen kann:
Angewiesen auf Sonne und Licht, auf Wasser und guten Boden,
auf Wind und Pflege.
Äpfel wachsen nur am Apfelbaum, Trauben nur am Weinstock.
Keiner kann alles, keiner kann nichts.
Nicht das Unmögliche ist von dir gefordert, sondern das, was dir entspricht.
Deine Frucht hat mit deinem Umfeld, mit deiner Umgebung zu tun.
Da, wo du bist und lebst, hast du eine Aufgabe, die nur du erfüllen kannst.
Du kannst deine Umgebung bereichern, andere können von dir zehren.

Das Bild vom Weinstock geht noch weiter.
Früchte hängen am Baum,
Jesus redet davon, dass wir in ihm bleiben sollen und er in uns:
Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe…
Und genau hingehört geht es um geteilte Verantwortung.
In ihm bleiben ist unsere Aufgabe, in uns bleiben seine Aufgabe.

Gewohnt sind wir zu hören,
Jesus in unser Herz und in unser Leben zu lassen.
Hier geht es darum, in Jesus zu sein und zu wohnen.
Wir haben eine Redewendung, die uns das „in Christus sein“
verständlich machen kann.
Wir sprechen davon, dass jemand „in der Sonne liegt“ oder „im Wind steht“; dass heißt, jemand ist dort, wo die Sonne scheint, wo der Wind weht:
Jemand ist den Wirkungen dieser Mächte ausgesetzt.

In Christus sein beginnt damit, zu realisieren, dass er da ist wie die Sonne
und wir in seinem Wirkungsbereich sind.
In Christus sein bedeutet, ihn wirken zu lassen so wie die Sonne wirkt,
wenn ich in ihr bin.

Die Früchte wachsen dann wie von selbst.

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