Dreifaltigkeitssonntag 2024
„Gott, du Barmherzige.“
Diese Gebetsanrede hatte vor kurzen ein Kollege gewählt,
und sie sorgte dafür, dass sich jemand über ihn beim Bistum beschwerte.
Der Beschwerde führende gab an, sich in seinem Beten
irritiert und gestört gefühlt zu haben.

„Gott, du Barmherzige.“
Ja, da horche ich auch auf, aber deshalb, weil ich merke,
wie sehr ich ein männliches Gottesbild gewohnt bin.
Verteidigende einer männlichen Gottesanrede
und Gegner einer – wie wir heute sagen – gendergerechten Sprache
sprechen gern vom generischen Maskulinum.
Man nutzt nur den männlichen Genus und sagt,
es sei ein allgemein gültiger Oberbegriff, der schließlich kürzer
und damit in der Sprache praktischer sei.
Frauen seien mit gemeint – wird gesagt,
aber in Wirklichkeit werden sie so unsichtbar –
ganz zu schweigen von Menschen, die trans-, intergeschlechtlich
oder nicht-binär sind.
Bevor es die neue Einheitsübersetzung 2016 gab
erinnern sich alle, die im Gottesdienst die Lesung vortrugen oder sie hörten,
dass als Anrede immer nur „Brüder“ zu Beginn stand.
Lange wurde diese Anrede verteidigt mit eben diesen Worten,
es sei ein Sammelbegriff, der Frauen mit meint
und nicht geschlechtlich zu verstehen sei.
Ich glaube nicht, dass man mit dem Sammelbegriff argumentiert hätte,
wenn die Anrede nur Schwestern gewesen wäre…

Eine von Männern dominierte Gesellschaft
verteidigt die männlichen Attribute für Gott
und hat es lange genug geschafft, eine weibliche Anrede für Gott
für unmöglich zu halten und sie unmöglich zu machen.
Wo Männer das Sagen haben,
konnte bzw. kann in der Vorstellung Gott nur männlich sein…
Wer von Gott ausschließlich männlich redet,
blendet allerdings einen erheblichen Teil der Bibel aus.
Denn die Bibel war oder ist wesentlich weiter.
Etwa die Stelle im Buch Jesaja, in der Gott sagt:
„wie eine Mutter tröstet, so tröste ich euch.“
Oder, ebenfalls im Buch Jesaja:
„Nun aber will ich schreien wie eine Gebärende,
ich will keuchen und nach Luft schnappen.“
Oder wenn im Psalm 22 Gott als Hebamme beschrieben wird:
„Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog,
mich anvertraut der Brust meiner Mutter.“

Das Dreifaltigkeitsfest hält den Gedanken wach,
wieviel Gegensätzliches in Gott zusammen fällt.
Vater oder Mutter und Sohn zugleich – und dann noch die dritte Person,
die in unserem Sprachgebrauch ebenfalls männlich daher kommt,
der hl. Geist, obwohl sich im Alten Testament die weibliche Anrede „ruach“ für die göttliche Geisteskraft findet.
Wir merken: Gott ist mit den binären Begriffen von Vater und Mutter
nicht zu fassen – ER / SIE ist nicht nur männlich, nicht nur weiblich.
Als Mose Gott am brennenden Dornbusch nach dem Namen fragt,
erhält er als Antwort: „Ich bin, der Ich sein werde“,
geschrieben mit den Buchstaben J H W H in deutscher Sprache,
unaussprechlich für uns –
und von den Israeliten nur mit großer Ehrfurcht verwendet,
eher umschrieben, so wie es auch Jesus tat,
als er vom „Gott der Lebendigen“ spricht.

Von Gott ausschließlich männlich oder ausschließlich weiblich reden,
verkürzt und verkleinert die Wirklichkeit Gottes
und wird letztlich auch der menschlichen Vielfalt nicht gerecht
und unterwirft sie einem unbiblischen Massstab,
in diesem Fall wirklich einer Ideologie.

Gott, du barmherzige – welch wundervolle Anrede für Gott,
da gerade Barmherzigkeit ein zutiefst weiblicher Begriff ist.
Denn das hebräische Wort für Barmherzigkeit bedeutet Gebärmutter
oder Mutterschoß.

Ich werde erinnert an das zweite der zehn Gebote:
„Du sollst dir kein Bild von Gott machen“ und weiter heißt es:
Aber auch nicht von dem, was unten auf Erden,
noch von dem, was in den Wassern, unter der Erde ist.

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