Gründonnerstag 2024
Am vergangenen Dienstag vergab der Restaurantführer Guide Michelin
wieder welt­weit Sterne, um eine hervorragende Küche zu würdigen.
Ein Stern bedeutet: Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert!
Zwei Sterne: Eine Spitzenküche – einen Umweg wert!
Drei Sterne: Eine einzigartige Küche – eine Reise wert!
Je mehr Sterne, um so teurer die Speisen, um so spezieller die Gäste.
Ob s der Gaumen immer merkt?

Zusammen zu essen ist etwas Besonderes.
Dazu muss es allerdings kein perfektes Dinner sein.
Zusammen essen bedeutet Zeit haben, reden, glühende Wangen;
es stiftet und erhält Gemeinschaft.
Ein ausführliches Mahl unterbricht den Alltag
und schafft eine Insel der Zweckfreiheit in einem Meer des Müssens.
Das Rennen und Jagen, das Hasten und Arbeiten kommt zur Ruhe.
Zusammen essen verbindet.
Wer zusammen gegessen und getrunken hat,
lässt die andere oder den anderen danach eher so sein, wie sie oder er ist.

Die Gastmähler nehmen in der Bibel,
nehmen im Leben Jesu einen großen Raum ein.
Er isst ganz bewusst und häufig mit vielen unterschiedlichen Menschen.
Dabei wird es nicht karg zugegangen sein,
sonst hätte man ihm nicht vorgeworfen, „ein Fresser und Säufer,
ein Freund der Zöllner und Sünder“ zu sein.
Von zwielichtigen Gestalten ließ er sich einladen
oder lud sich selbst bei ihnen ein.
Es gab keine Vorbedingungen.
Die Tische, an denen er saß, waren bunt:
Fischer, Bäuerinnen, Handwerker, Arme und wohlhabende Zöllner,
Ausführlich wird erzählt, wie eine stadtbekannte Sünderin Jesus,
als er bei einem Pharisäer eingeladen war, die Füße salbt.

Wo er auftauchte, wo er aß, wurden soziale Grenzen überschritten.
Menschen, die sich mieden oder die nichts miteinander zu tun hatten,
kamen zusammen.
Der eben erwähnte Pharisäer, der Jesus eingeladen hatte,
sagte zu sich selbst, als die Frau Jesus die Füße salbt:
„Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen,
was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist.“ (Lk 7)
Jesus lässt dies nicht nur zu, sondern – wie soll man sagen –
demonstriert regelrecht seine Vorliebe für schräge Gestalten,
für offiziell Gemiedene, für Verzweifelte, für Menschen, die gegen das Gesetz
oder gesellschaftliche Normen verstiessen.

Kein Wunder, dass er dadurch Anstoß erregte.
Den Rechtschaffenen passte das nicht.
Sie waren ja plötzlich nichts Besonderes mehr, kein besonderer Stand –
denn diese Mähler ließen sichtbar, spürbar, erfahrbar werden,
was später Paulus an die Galater schreibt:
„Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie,
nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus.“

Wer zusammen an einem Tisch sitzt, wird nicht unterschiedlich behandelt,
zumindest steht allen alles offen. Es gibt keinen Katzentisch.
So und nicht anders schmeckt das Reich Gottes, wie Jesus es verkündet.
In solchen Mählern ist er real und präsent,
zwei Worte, die gern für die Eucharistiefeier verwendet
und miteinander verbunden werden: Realpräsenz.

Tut es nicht weh, schmälert es nicht den Geschmack am Reich Gottes,
wenn unsere Tischgemeinschaft kaum noch bunt ist,
wenn schräge Gestalten hier keine Nahrung finden,
wenn es dann doch und immer noch eine Rolle spielt,
ob jemand männlich oder weiblich ist?
Restaurants können es sich offensichtlich leisten,
durch die Höhe der Preise oder durch das Angebot der Speisen
bestimmte Menschen anzuziehen oder andere aussen vor zu lassen.
Kirche darf nie so sein – und wo sie so ist, ist Jesus nicht zu finden.

Darum bin ich mir sicher, feierte Jesus heute das Letzte Abendmahl,
Bilder, wo ausschliesslich zwölf Männer mit ihm am Tisch sitzen,
würden nicht mehr entstehen –
wenn sie denn überhaupt tatsächlich dem damaligen Mahl entsprechen.
Ob man ihn mit diesem Anliegen allerdings ernst nehmen würde in der Kirche
oder ob man ihn nicht wieder mit ähnlichen Argumenten wir vor 2000 Jahren,
nämlich genau zu wissen, was Gott will und wünscht
und Jesus sich nur irren kann, er halt Gott nicht richtig versteht,
ob man ihn mit diesen Argumenten abräumen würde, bislang scheint es so.
Und es scheint auch so,
dass es nach wie vor eine grosse Masse an Zuschauenden gibt,
die das Weite suchen, die eingeschüchtert schweigen,
vielleicht sogar Jesus und seine Vision der bunten Gastmähler,
wo alle in ihm eins sind, fallen lassen.
Immer noch kräht der Hahn.

(Inspiriert von Gedanken von Sabine Bieberstein)

 

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