A 20 2023 Mt 15,21-28
Ich weiß nicht, was bei mir überwiegt:
Die Bewunderung für die kanaanäische Frau, die sich nicht abweisen lässt,
oder die Verwunderung über Jesus, der zunächst nicht antwortet
und dann sagt: Er sei nicht zuständig.
Wer einmal überhört wurde oder keine Antwort bekam,
der braucht Mut oder hat große Not,
sich noch einmal bemerkbar zu machen.
Und wer nach einer Abweisung mit Worten erneut nachfragt und sich äußert,
hat entweder nichts mehr zu verlieren
oder glaubt trotz einer negativen ersten Antwort,
dennoch an der richtigen Adresse zu sein.
Ein Ziel hartnäckig verfolgen ist keineswegs selbstverständlich.
Für etwas eintreten und sich stark machen,
sich für Benachteiligte, ungerecht Behandelte, für Gequälte einsetzen
und Ablehnung in Kauf nehmen kostet Energie.
Ich habe sie nicht immer.
Die Energie ist umso größer, wie uns etwas nah berührt.
Im Evangelium ist es die Tochter der Bittstellerin:
Eine Mutter kämpft für ihre Tochter.
Es braucht diese mütterlichen Menschen,
die sich stark machen und ins Wort bringen:
So kann es nicht bleiben! Da ist etwas nicht in Ordnung.
Da ist etwas krank – quälend. Bleibt das so, ist keine Zukunft.

Historisch gesehen beschäftigte die ersten Christen die Frage,
ob nur Menschen mit jüdischen Wurzeln Christen werden dürfen
oder auch die anderen, die so genannten Heiden.
Das Wort Jesu zieht zunächst Grenzen
und gibt ein Zuständigkeitsdenken wieder, bei dem es aber nicht bleibt.
Der Höhepunkt dieser Geschichte, auf den alles zuläuft, entgrenzt,
indem er zum Ausdruck bringt:
Eine größere Rolle als Religionszugehörigkeit
spielt das intensive Verlangen, der Glaube
oder das angewiesen sein auf Erbarmen.
Denn es ist die Not, die Verzweiflung,
die diese namenlose kanaanäische Frau, eine Nicht-Jüdin, eine Heidin,
zu Jesus drängt.

Allein dass sie auf Jesus setzt, zählt.
Es wird nicht berichtet, wie ihr Leben anschließend weiter verlaufen ist,
dem Evangelisten war es offensichtlich nicht wichtig.
Wichtig war ihm dieser Sinneswandel,
den er in den ersten Christengemeinden erreichen will, indem er sagt:
Jesus selbst hat sich überzeugen und bewegen lassen,
sein Handeln nicht von der Herkunft, auch nicht von der religiösen Herkunft
bestimmen zu lassen.

Das auserwählte Volk ist kein Volk mehr,
das durch Ländergrenzen bestimmt ist;
das auserwählte Volk ist kein Volk mehr,
das erst bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss.
Zum Volk Gottes zählen die, die dazu gehören möchten;
ihr dazu gehören wollen ist der Ruf Gottes.

Menschen in der Nachfolge Jesu sind die, die keine Grenzen ziehen.
Nicht Juden – nicht Griechen, nicht Sklaven – nicht Freie,
nicht männlich – nicht weiblich schreibt Paulus später.
Wenn wir in der Kirche unser Handeln abhängig machen davon,
ob jemand Kirchenmitglied ist oder getauft,
wenn wir es davon abhängig machen, ob jemand Frau oder Mann ist,
ob jemand einen Namen hat oder keinen,
bleiben wir weit hinter dem zurück, was Jesus tut
und demütigen Menschen.

Was wir immer wieder bei Jesus wahrnehmen, wird auch hier deutlich:
Das ausschlaggebende Prinzip, das ihn leitet,
ist des Menschen Not und Kummer.
Dass Menschen heil werden, eine Zukunft haben, dass Qualen schwinden,
dazu sieht und weiß er sich gesandt.
Das steht über allem.

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