Christ-König 2023
Selten machen wir uns klar oder lassen an uns heran,
wie groß der Wandel ist, den wir im Christentum derzeit erleben.
Lange schon verabschieden wir uns von den großen Zahlen
und werden weniger und damit schwächer.
Wir verkünden unseren Glauben nicht lauthals,
wir sprechen eine leisere Sprache.
Wir haben nicht mehr die Schalltrichter vergangener Christ-Königfeiern, sondern brauchen selbst eher ein Hörgerät,
um das Wort Gottes in unserer Zeit deutlich vernehmen zu können.
Wir tun uns schwerer, im Alltag zum Glauben zu stehen
und ziehen mitunter das Schweigen vor als dass wir uns
dem Gelächter oder dem Unverständnis von Arbeitskollegen,
Freundinnen, Freunden, Familienangehörigen aussetzen.
Wir sind uns unserer Sache nicht mehr sicher:
wir bauen keine großen und keine kleinen Kirchen mehr,
wir sorgen uns stattdessen um ihren Erhalt
und trennen uns mehr und mehr von Gebäuden.

Wir erleben, wie Kirche und Glaubensgemeinschaften,
wie der eigene Glaube aus den verschiedensten Gründen
regelrecht geschüttelt und gefordert wird,
wie es schwieriger zu werden scheint,
das Vertrauen in eine mütterlich väterliche Macht, die wir als Gott anrufen,
zu entwickeln und zu nähren.

Der Inhalt des heutigen Festes ist nicht weniger herausfordernd:
Hören wir vom Königtum Christi,
dann verbinden wir damit zumindest in den Gebeten der Kirche Allmacht, einen großen Hofstaat und Untertanen, Glanz und Gloria, wir sagen: Cherubim und Seraphim, himmlische Heerscharen.
Dennoch begegnet uns in Jesus keine Allmacht sondern Ohnmacht,
er hat keinen Hofstaat, sondern fehlbare Apostel,
er trägt keine Goldkrone, sondern Dornen;
er ist nicht hineingewachsen in eine adelige Familie,
sondern unvorhergesehen gekommen zu zwei Menschen,
die erst noch Familie werden mussten
und dazu der Botschaften von Engel bedurften;
er ist nicht ausgestattet mit Speer und Garde,
sondern verletzlich und mit leeren Händen.

Der Kern des Glaubens ist nackt, ganz wesentlich, ganz reduziert,
ganz alltäglich, ganz zerbrechlich, ganz verwundbar.
Und er ist so einfach, dass wir es fast schon nicht ertragen
und um ihn herum bauen, ihn erschweren
ihn in einen goldenen Rahmen fassen und unnahbar machen.

Das Evangelium des heutigen Festes kann es nicht deutlicher sagen,
was Jesus als Glaubenspraxis sieht: Einfache Menschlichkeit.
Der Schatz der Kirche ist nicht das gut renovierte Gotteshaus,
sind nicht kostbare Gefäße und Kunstgegenstände,
der Schatz der Kirche ist nicht ihre Organisation und Verwaltung,
nicht die numerische Zahl ihrer Mitglieder,
der Schatz der Kirche sind die Bedürftigen.

Jesus selbst hat als ein solch Bedürftiger unter uns gelebt:
Er bedurfte und bedarf der Menschen,
die sich seiner und seiner Botschaft annehmen;
er bedurfte und bedarf eines Simon, der das Kreuz mit trägt;
er bedurfte und bedarf eines Schlucks Wasser, als er mit dem Tod ringt.
Als solcher bleibt er unter uns gegenwärtig:
als Ruf und Herausforderung zu nackter Menschlichkeit,
als Ruf und Herausforderung zu dem, was dem Glauben wesentlich ist;
als Bedürftiger, dem wir im Nächsten dienen.

Noch feiern wir diesen Glauben in großer Äußerlichkeit und mit viel Beiwerk;
doch spüren wir längst, wohin die Reise gehrt,
und dass wir uns von vielem trennen müssen.
Statt darin Verlust zu erblicken,
macht uns diese Entwicklung einfach und wesentlich,
führt zum Kern des Glaubens,
der im Grunde ganz alt ist und immer noch viel zum Entdecken in sich birgt:
Er lädt uns zu nichts weiterem ein als Mensch zu werden.

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