B 6 2024 Mk 1, 40-45
Aussatz ist eine Krankheit, der nicht körperliche,
sondern gesellschaftliche Symptome den Namen gegeben haben.
Der Name sagt, wie mit an Aussatz erkrankten Menschen verfahren wurde: sie wurden ausgesetzt, man wollte sie nicht in der Stadt;
keinen Kontakt, keine Begegnung, keine Berührung, kein Gespräch,
keine Nähe; stattdessen Isolation, bisweilen sogar Verachtung,
Lebendige wie Tote begraben.
Berührungsängste lassen einen Umgang mit Aussätzigen nicht zu;
sie sind darum einzig sich selbst überlassen.

Die Heilungsgeschichte im heutigen Evangelium
hat darum mindestens zwei Ebenen:
die eine ist die Heilung des Aussätzigen selbst,
die andere ist die Provokation der Heilungszeremonie.

Ein Aussätziger hat sich anderen Menschen nicht zu nähern,
im Gegenteil hat er selbst dafür zu sorgen,
dass ihm andere nicht zu nahe kommen, er muss sie sich vom Leibe halten.
Hier tut einer das Gegenteil. Er verlässt sein Ghetto,
mutet sich einem anderen Menschen, mutet sich Jesus zu.
Ist es Mut, ist es pure Verzweiflung, ist es Glaube –
oder was lässt den Aussätzigen so handeln,
dass er sich über alle Regelungen,
selbst über religiöse Vorschriften hinwegsetzt?
Es bleibt uns verborgen, was den Aussätzigen letztlich bewogen hat,
sich Jesus zuzumuten;
aber was uns nicht verborgen bleibt, sondern klar vor unser Auge tritt,
das ist, dass der Weg zu Jesus niemals versperrt ist;
dass es keine Brandmarkung, keine Krankheit, keine Schuld,
keine gesellschaftliche oder religiöse Übereinkunft gibt,
wegen der ich mich Jesus nicht nähern dürfte.

Wir sind mit dieser Geschichte
noch im ersten Kapitel des Markusevangeliums und ahnen doch schon,
dass hier der tödliche Konflikt Jesu mit den Frommen seiner Zeit beginnt,
letztlich gipfelnd in der Frage, ob der Mensch über dem Gesetz steht
oder das Gesetz über dem Menschen.
Von Anfang an ist Jesus klar und eindeutig.
Er tut immer wieder das, was laut Gesetz verboten ist:
Er heilt am Sabbat, Er berührt den Aussätzigen.
Er hat keine Angst vor Berührungen, er sieht die Not des Menschen,
nicht die Gesetze und Regelungen,
die die Notleidenden im Grunde vom Leibe halten.
Schließlich ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Heilungszeremonie, dass Jesus den Aussätzigen berührt.
Offensichtlich ist diese Berührung das der Heilung Dienliche –
und ihr Fehlen macht krank oder hält krank.

Manchmal ist die Art und Weise der Heilung aufschlussreich
und verrät etwas über die Ursache der Krankheit;
hier liegt es auf der Hand:
es ist die Isolation, es ist gesellschaftliche Unbeholfenheit, es ist Abscheu,
es ist Unverständnis, es ist mangelnde Auseinandersetzung,
es ist Angst, die den Aussätzigen zumindest aussätzig halten will.

Das Beispiel Jesu ist kompromisslos.
Er riskiert sich:
Nicht nur, dass er es eingeht, selbst angesteckt zu werden;
laut Gesetz ist schon der, der einen Aussätzigen berührt, selbst Aussätziger; er riskiert sein Ansehen, er riskiert sein Leben.
Denn von nun an wird man ihn behandeln als einen,
den man nicht in der Stadt haben möchte,
als einen, den man lieber tot als lebendig sieht.

Noch versucht Jesus deutlich zu machen,
dass er sein Handeln in Übereinkunft mit der überlieferten Religion sieht.
Darum schickt er den Geheilten zu dem Priester.
Das erwähnte Zeugnis bedeutet nicht,
dass Jesus sich an all die Regeln und Übereinkünfte hält,
dann hätte er den Aussätzigen nicht berühren
und schon gar nicht heilen dürfen;
das erwähnte Zeugnis bedeutet,
dass er da das Gesetz erfüllt sieht, wo Menschen heil werden,
wo sie nicht länger gemieden und ausgestoßen sind.

Heilung ereignet sich nicht durch Grenzziehung und Vermeiden,
Heilung ereignet sich durch eine vage Hoffnung,
die in Jesus ein offenes Herz findet.

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