A 24 2023 Mt 18 21-35
Bei manchen Evangelien ist es ganz einsichtig,
dass darauf kein Mensch kommt.
Das gerade gehörte zählt dazu.
Die Frage des Petrus ist verständlich:
wie oft muss man vergeben?
Drei mal war in der jüdischen Tradition üblich,
Petrus erhöht schon auf bis zu sieben mal, weil er weiß, wen er da fragt.

Irgendwann reicht es – oder: Jetzt ist Schluss – sagen wir.
Einmal, auch zweimal bemühen wir uns um Nachsicht,
aber wenn jemand unverbesserlich erscheint,
wenn etwas immer wieder passiert?
Die Antwort Jesu verblüfft und kommt unerwartet.
Bis zu siebzig mal siebenmal vergeben. Macht 490.
So weit zählt niemand. Denn dann müsste man ja Buch führen.
Einmal kann man sich merken, zweimal auch;
aber bis zu 490 mal? Unmöglich.
Es geht also nicht um Rechnerei, schon gar nicht um Berechnung.
Vergebung hat damit nichts zu tun – sie ist eher eine Haltung
und kann darum nicht begrenzt werden durch äußerlich messbare Faktoren.

Das Gleichnis führt es aus.
Hören wir von einer Schuld von zehntausend Talenten,
reden wir umgerechnet von 12 Milliarden Euro.
Der König erläßt diese maßlose Schuld.
Und ausgedrückt wird damit:
Für den König gibt es keine Schuld, die nicht vergeben werden kann,
so hoch sie auch sein mag.

Sind das nicht wir Menschen vor Gott?
Nicht nur immer wieder schuldig werdend,
als könne man die Vergehen – wie Petrus meint – zählen,
sondern schuldig seiend?
Darauf angewiesen, dass jemand mit Güte auf uns schaut,
nicht auf einzelne Vergehen, sondern auf das gesamte Leben?
Vielleicht auch, weil wir spüren:
ich kann tun, was ich will, ich bleibe immer zurück,
ich bin nie fehlerfrei, es reicht nie, was ich tue.
Vergebung heißt, dass diejenige oder derjenige im Vergeben gibt,
nämlich das gibt, was fehlt und immer fehlen wird.
Vergebung geht über Zählen oder Ausgleichen hinaus:
Schuld wird nicht abgearbeitet sondern geschenkt.

Aber irgendwie und erfahrungsgemäß scheint unsere Realität anders zu sein.
Der Knecht, dem die große Schuld erlassen wurde,
schafft es selbst nicht, eine vergleichsweise kleine Schuld zu erlassen.
100 Denare zu zehntausend Talenten,
das ist das Verhältnis von knapp zehntausend Euro zu 12 Milliarden Euro.
Und wir sind schnell dabei, mit dem Herrn im Gleichnis zu sagen:
„Du elender Knecht!“
Das Gleichnis stellt an dieser Stelle – wie ich finde – zwei Fragen:
Die eine: Könnte da auch von mir die Rede sein,
dass ich einerseits Vergebung erbitte, aber sie selbst nicht gewähre?
Und die andere Frage: Kann es für jemanden, der Vergebung erfährt,
einen Grund geben, selbst nicht Vergebung zu gewähren?
Ich kann die zweite Frage nicht beantworten.
Wer Gewalt erfahren hat, wessen Leben dauerhaft
durch psychische oder physische Gewalt beschädigt ist:
Will Jesus mit diesem Gleichnis den Druck da noch erhöhen
und eine Vergebung erzwingen?

Zu allererst sagt dieses Gleichnis, wie Jesus Gott glaubt.
Dann will es uns nachdenklich machen darüber,
ob es nicht unser Leben verändert,
wenn es die hintergründige Erfahrung gibt,
dass Gott unsere Schuldscheine zerreißt –
und dies nicht, weil wir es in Zukunft besser machen könnten,
sondern weil wir sind, wie wir sind, und weil Güte Gottes Wesen ist.

Aber wenn Gott letztendlich seine Güte
ausschließlich davon abhängig macht, wie gütig wir sind:
Wer von uns könnte dann bestehen?

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