Weihnachten 2023
Ich schaue auf die figürliche Darstellung der Maria
aus der Krippe der Benediktinerabtei Münsterschwarzach aus dem Jahr 22,
die uns in dieser Weihnachtszeit hier begleitet.

Ein ausgehöhlter Eschenholzstamm, etwas gerissen.
Eine hohle Stelle ist entstanden, die Raum bietet.
Ich finde mich darin wieder, wenn ich mich leer fühle, zerrissen, unausgefüllt.
Ich finde mich darin wieder in der Frage, was oder wer mir Mitte ist,
was oder wen ich schützen und hegen, wiegen und wärmen möchte.
Ich finde mich darin wieder in der Frage,
was mir in den Schoß gefallen oder gelegt
in die Wiege mitgegeben ist und ohne mich nicht ins Leben kommt.

Manchmal tun diese Fragen weh,
weil sich die Antworten nicht so recht formen wollen,
oder weil ich mich nicht traue, mein Inneres zu zeigen,
es stattdessen umschlossen und verborgen halte –
vor anderen und vor mir selbst.
Es kommt nicht raus.

Weihnachten ist, wenn Menschen – wie Maria – zeigen, was in ihnen ist.
Weihnachten ist, wenn wir schützen und warm halten,
was in uns gewachsen ist.
Weihnachten ist, wenn wir Bauchgefühl haben –
und Bauchgefühl von Gott erzählt.
Weihnachten ist, wenn unsere menschliche Wärme
zum Nest des Gotteswortes wird.
Weihnachten ist, wenn Gott im Menschen Raum findet.

Das hebräische Wort Erbarmen / Barmherzigkeit
hat dieselbe Wurzel wie das Wort Mutterschoß und Gebärmutter.
Im hebräischen Wort für Erbarmen steckt das Wort Mutterschoß.
Das Erbarmen Gottes ist zutiefst weiblich.
In der Bibel ist Mutter ein starkes Bild für Gott.
Hosea, ein Prophet im Alten Bund, schreibt:
„Ich war für mein Volk da wie die, die den Säugling an ihre Wangen heben. Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen.“
Ein nährender Gott, ein stillender Gott.
Die Erfahrung von Menschen mit Gott ist,
dass Barmherzigkeit, dass seine Barmherzigkeit Leben gibt,
den Menschen neu gebiert.

Ich sehe Maria als Bild für diese weibliche Seite Gottes.
Wie konnte es nur geschehen, dass Gott über Jahrtausende hin
so sehr und ausschließlich männlich gelesen wurde mit Folgen,
die man nicht mehr – oder dann doch wieder ganz gut – verstehen kann…
Wie unbefangen kann noch das Matthäusevangelium
auch Jesus weiblich schildern oder zumindest geschlechtsübergreifend,
wenn es als Jesus Wort überliefert:
„Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln,
so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt.“

Maria durfte in dieser männlich geprägten Tradition
noch nichtmal Frau sein, sondern Jungfrau und Mutter.
Vom Wort, dem fleischgewordenen,
wurde jegliches Fleisch wieder abgezogen –
eine gegenläufige Entwicklung zu dem, was wir heute feiern
und was der Weg Gottes in die Welt ist.

Weihnachten sagt mir: Gott muss man spüren, im Bauch spüren.
Weihnachten sagt mir: Gott braucht deine und meine Sinne,
um in dieses Leben zu kommen.
Weihnachten sagt mir: Gott wählt den Weg unseres Leibes – da beginnt es.

Wenn Maria für die weibliche Seite Gottes steht,
finde ich im weihnachtlichen Bild auch die Einladung,
mich selbst im Mutterschoß Gottes wiederzufinden.
In allem, was klein in mir ist, noch unausgewachsen,
in allem, was möglicherweise auch klein bleibt, wärmt mich seine Nähe.
Gott ist nicht Mann oder Frau – aber mütterlich und väterlich.
Gott hat keine Lungen – aber Lebensatem.
Gott hat keine Lenden –
aber den Leben frei gebenden und bergenden Schoß.

Und darum schaue ich auf das Kind in Mariens Schoß.
Es schmiegt sich an, es nimmt den Raum ein, den es braucht.
Es sagt nichts, es tut nichts, und ist doch ungefragte Mitte.
Das bist du für Gott: Ungefragte Mitte,
genährt an seiner Brust, gewärmt von seiner Liebe.
Umschlossen – Geborgen – an seinem Herzschlag.

 

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