A 21 2023 Mt 16,13-20
Dieses Evangelium oder vielmehr seine Wirkungsgeschichte
hat verschiedene Seiten.
Zum einen traut Jesus dem Petrus unheimlich viel zu,
eigentlich nicht nur dem Petrus,
denn nur zwei Kapitel weiter gelten die gleichen Worte der Gemeinde:
„Was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein.“
Der Himmel bindet sich an das,
was Menschen auf Erden im Geist Jesu binden oder lösen.
Meist sind wir heute die gegenteilige Formulierung gewohnt zu hören:
Wenn es beispielsweise um die Öffnung des Weiheamtes für Frauen geht
und gesagt wird:
Die Kirche hat dazu keine Vollmacht – sie ist gebunden.
Hier im Evangelium klingt das anders.
Der Himmel, Gott, macht sein Wirken abhängig vom Menschen
und bindet sich.
Was eine Gemeinde verkündet und beschließt, findet göttliche Bestätigung.
Fände dieses Prinzip Anwendung in unserer Kirche,
manche Frage wäre längst vom Tisch.
Umso größer ist die Verantwortung.
Wir bekommen im Evangelium ein Symbol mit, das des Schlüssels.
Die ganze Bibel enthält Bücher, die aufschlussreich sein wollen,
die von einem den Menschen gegenüber
höchst aufgeschlossenen Gott erzählen.
Darum wird das auch zum Masstab der Menschen, die Jesus nachfolgen:
inwieweit vermögen sie, inwieweit vermögen wir,
Türen zu öffnen, Wege zu bahnen,
die Gottes Leidenschaft für Menschen und Menschliches erkennen lassen
und erlebbar machen.
Viele Menschen, die sich von der Kirche abwenden
oder sie nicht mehr ernst nehmen können, denen sie nichts mehr sagt,
machen eher die Erfahrung, dass ihnen Wege verschlossen werden.
Der von den Kirchen verkündigte Gott
erscheint ihnen zu klein und zu kleinlich, vom wirklichen Leben entfernt,
als hätte er in Jesus nie unser Fleisch und Blut angenommen
und unseren Alltag geteilt.
Jesus selbst scheint das mit den Gottesgelehrten seiner Zeit zu erleben,
wenn sie den Sabbat über den Menschen stellen,
wenn sie rigoros Gesetze hochalten, die sie selbst nicht einhalten,
wenn sie Menschen Lasten aufbürden.
Wie sehr hat über Jahrhunderte hin die Sexualmoral der Kirche
Menschen Lasten aufgebürdet, Männer über Frauen herrschen
und den eigenen Körper als Feind erscheinen lassen.
(Und wie sehr belastet sie auch heute noch queere Menschen,
wenn sie sich vergegenwärtigen, dass sie laut kirchlicher Lehre
nicht so leben dürfen, wie ihre Liebe, wie ihr Leben empfindet.)
Der von Gottesgelehrte verkündete Gott ist nicht selten ein ganz anderer
als der Menschen nahe und menschliche, als der von Jesus bezeugte
oder auch als der zum guten und barmherzigen Leben
so unbedingt notwendige Gott.
Was du auf Erden lösen wirst – was ihr auf Erden lösen werdet:
Diese Worte sind eine Wertschätzung der Erde, des Irdischen,
der erdhaften Erfahrungen;
Gott bleibt der, der sich erdet, nicht nur in Jesus,
sondern in allen, die für seinen Geist offen sind.
Gott geht den Erdenweg der Menschen mit,
er ist kein stehengebliebener oder stehen bleibender Gott,
keiner, der sich bindet an vergangene Zeiten,
auch nicht an menschliche Vorstellungen vergangener Zeiten –
er geht die Entwicklung von Menschen mit.
Die Bibel scheint kein Problem damit zu haben zu erzählen,
dass Gott sich von Menschen verändern und bewegen lässt
so wie sich im Evangelium vom letzten Sonntag
eine kanaanäische Frau von Jesus nicht abweisen lässt,
der zunächst antwortet,
er sei nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt,
aber sich dann doch von ihrer Not anrühren lässt und ihr hilft.
Wege zum Leben, Wege zur Liebe sind immer göttliche Wege.
Und wie gut und wie notwendig, dass die Wege Gottes noch viel weiter sind.
als menschliche Binde- und Lösemacht sie im Blick hat.
Denn Menschen sehen, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz.
(1 Sam 16,7)