3. Fa.So. B 2024 Joh 2, 13-25
In der vergangenen Woche fand ein sogenannter Werkstatttag
in der Katholischen Akademie Schwerte statt, überschrieben mit „Würde“.
Natürlich war die Würde groß geschrieben gemeint
und nicht die zahllosen kleinen „ich würde“,
die wir oftmals so unverbindlich brauchen.
Denn Würde ist etwas Verbindliches und Menschen verbindendes.
Ich hatte eine Gruppe zu begleiten und zu Beginn gefragt,
was die Teilnehmenden unter Würde verstehen.
Genannt wurden Ersatzworte und Umschreibungen,
die mit Würde zu tun haben, etwa Achtung, Respekt, Selbstachtung,
Aufrichtigkeit, aufrecht sein, Integrität, Haltung;
ein würdiger und würdigender Umgang,
der meinem Mitmenschen bezeugt: Ich glaube dir, was du sagst und fühlst,
ich glaube dir dein Leben.
Schnell wurde klar, dass es uns leichter fällt zu sagen,
was wir als würdelos empfinden, als missachtend und verletzend.
Auf der Suche nach Bibelstellen,
die für unser Empfinden Jesus und Würde zusammenbringen,
die zeigen, wie Jesus würdig und würdigend mit Menschen umgegangen ist,
fielen uns so manche ein:
Die Geschichte von der Frau am Jakobsbrunnen,
in der Jesus zwei Tabus bricht: Er spricht verbotenerweise eine Frau an
und dann auch noch eine Samariterin – das heißt,
er sieht einen Menschen vor sich, unabhängig von Herkunft und Geschlecht.
Jesus begegnet Menschen auf Augenhöhe,
ausdrücklich in der Zachäusgeschichte,
in der er Zachäus vom Baum herunter bittet und sich sogar bei ihm einlädt.
Überhaupt fielen uns die Gastmähler ein,
in denen Jesus Menschen als Menschen sieht,
und nicht hauptsächlich als Sünderinnen und Sünder.
Uns fielen die Heilungsgeschichten ein, die Berührung der Aussätzigen,
wie er sie so ins Leben und in die Gemeinschaft zurückholt;
seine respektvolle Frage, die an einer Stelle der Evangelien überliefert wird:
Was willst du, das ich dir tun soll?
Es fiel uns das Kreuz ein, nicht weil es Leiden würdigt, aber Leidende;
weil es – ähnlich wie das Bild der Schmerzensmutter Maria –
Menschen Kraft im Leiden schenkt, sie nicht ignoriert
und ihnen auch mit Blick auf Ostern sagt: Deine Würde ist unkaputtbar.
Und dann fiel uns dieses Evangelium von heute ein,
die sogenannte Tempelaustreibung und mit ihr die Würde eines Raumes.
Auch Räume brauchen Schutz um der Menschen willen, die sie aufsuchen.
Tatsächlich gab es auf dem Werkstatttag genau dazu ein Angebot,
ausgeschrieben mit diesen Worten:
„Liturgie ist ein Zeit-Raum,
der Menschen zu ihrer von Gott geschenkten Größe ermutigt.
Sie ist ein Andersraum,
in dem wir der ständigen Demütigung des Alltags entrinnen
und uns zu unserem innersten Kern aufrichten.
Kirchenräume sind Kraftquellen,
weil sie uns an unsere ursprüngliche Schönheit erinnern.
Sie geben uns zu verstehen, dass wir unsere Würde nicht erleisten müssen. Daher erinnern und verinnern sie uns, dass wir als Gottes Geschöpfe
von ihm aus würdig sind, vor seinem Angesicht zu leben.“
Mit diesen Worten verstehe ich noch viel mehr, wie es Jesus weh tut,
den Tempel als Verkaufsort, als Markthalle vorzufinden,
als lauten Ort des Handels und des Handelns, wo taxiert und berechnet wird,
wo – dies zu Ende gedacht – der Wert die Würde bestimmt und definiert
und nicht die Würde den Wert.
Wie arm sind wir, wenn wir keine Räume mehr haben,
in denen es nicht um Geld, nicht um Kauf und Verkauf geht;
wie arm sind wir, wenn selbst ins Heiligste der Handel eindringt,
das Rechnen und Berechnen, das Erfassen in Zahlen.
Würde ist immer unverfügbar, sie ist unabhängig von uns.
Wir können sie wohl mit den Füßen treten und sie missachten,
wir können sogar mit uns selbst unwürdig umgehen,
aber nehmen können wir sie nicht.
Würde ist etwas, was des Schutzes bedarf.
Im Zusammenhang mit der Tempelaustreibung
verweist Jesus auf sich und seinen Leib;
er kündigt einen mehr als unwürdigen Umgang an
und verheißt im österlichen Ausblick, dass die Würde unzerstörbar ist.
Jeder Mensch ist so ein Tempel, in dem Gott wohnt:
Unverfügbar, würdevoll, schützenswert.
Räume, Kirchenräume können uns daran erinnern,
aufrichten, uns das Haupt erheben,
auf dass wir nicht gebeugt und gebückt nur die Erde im Blick haben,
und mit ihr die Gefangenheiten, die Geldgeschäfte, die Verzweckungen,
sondern die Zusagen, die Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen,
eben seine Würde.